Netzwerk Opferschutz Hier gibt es Hilfe für Opfer der Amokfahrt

Trier · Beerdigungen, der Wegfall von Einkommen und die Heilung von körperlichen und seelischen Wunden: Das alles kostet auch Geld. Die durch die Amokfahrt in Trier Verletzten und Traumatisierten sollen schnelle finanzielle Hilfe erhalten.

 Ein Meer aus Kerzen und Blumen zum Andenken an die bei der Amokfahrt in Trier getöteten Menschen.

Ein Meer aus Kerzen und Blumen zum Andenken an die bei der Amokfahrt in Trier getöteten Menschen.

Foto: TV/Katharina de Mos

Eins haben alle die Familien, die Angehörige bei der schrecklichen Amokfahrt am 1. Dezember verloren haben, gemeinsam: den Verlust. Wie die Eltern, Geschwister, Kinder und Verwandten mit dem Tod ihrer Lieben umgehen, ist allerdings ganz unterschiedlich. „Und genau deshalb ist es wichtig, dass die individuelle Perspektive der Verletzten, der Traumatisierten und der Angehörigen die Grundlage für alle Hilfeangebote ist“, betonte Oberbürgermeister Wolfram Leibe bei einem Pressegespräch am Dienstagnachmittag.

Manche Familien seien froh gewesen über sein Angebot zum persönlichen Gespräch. „Andere wollen Ruhe haben“, nennt Leibe ein Beispiel für die unterschiedlichen Bedürfnisse.

Ein wichtiges Thema für die Familien sei, wie die Beerdigungen gestaltet werden können. „Die Angehörigen wollen Raum für ihren privaten Abschied“, sagte Leibe. Auch deswegen sei jetzt noch nicht die Zeit für einen ökumenischen Gedenkgottesdienst. „Solange in den Krankenhäusern noch zwei Opfer der Amokfahrt im Koma liegen und um ihre Leben kämpfen, ist ein öffentlicher Gedenkgottesdienst nicht angebracht“, sagte Leibe. Sobald die Zeit dafür gekommen sei, werde ein solches Gedenken allerdings stattfinden, versprach der Oberbürgermeister. Geklärt werden müsse dafür auch, wie diese Gedenkfeier trotz Corona so gestaltet werden kann, dass alle teilnehmen können, die das möchten.

Die vielen Gedenkstellen in der Stadt mit ihren Kerzen und Blumen würden weiterhin von Mitarbeitern der Stadtverwaltung gepflegt, die Kerzen wieder aufstellen und die Plätze sauber halten. „Wir werden gemeinsam mit den Familien überlegen, wie diese Gedenkorte weitergeführt werden“, sagte Leibe. Der zentrale langfristige Gedenkort werde wohl an der Porta Nigra erhalten bleiben.

Auf dem Spendekonto der Stadt seien mittlerweile rund 700 000 Euro eingegangen. „Mehr als 8000 Menschen haben gespendet. Der Gesamtbetrag ist phänomenal, aber es geht um mehr als die Summe: Die Spenden sind für die Angehörigen ein Zeichen der Mitmenschlichkeit und der Verbundenheit“, sagte Leibe.

Das Geld solle verwendet werden, falls „Lücken“ bleiben bei der gesetzlichen Opferentschädigung oder bei anderen finanziellen Engpässen. „Wir überlegen zudem, eine Stiftung zu gründen, um wirklich langfristig Unterstützung geben zu können“, sagte Leibe.

Dass den Angehörigen der Opfer, den Verletzten und ihren Familien sowie den Traumatisierten schnelle und umfassende Hilfe geleistet werden könne, sei auch Folge des Attentats auf den Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016. „So schrecklich es klingt: Aufgrund der vielen Attentate wurden in Deutschland und auch in Rheinland-Pfalz in den vergangenen Jahren umfassende Hilfsstrukturen aufgebaut.“

Unter anderem wurden seitdem in nahezu allen Bundesländern Opferbeauftragte ernannt. In Rheinland-Pfalz ist das Detlef Placzek, der gleichzeitig Präsident des Landesamts für Soziales, Jugend und Versorgung ist.

Unmittelbar nach der Trierer Amokfahrt wurde eine Hotline geschaltet. Professionelle Psychotherapeuten hätten unter dieser Telefonnummer akute Hilfe geleistet – rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Bis zum gestrigen Dienstag – zwei Wochen nach der Tat – seien rund 150 Anrufe dort eingegangen. Im Durchschnitt hätten die Gespräche 20 Minuten gedauert – „manche wesentlich länger, manche kürzer“. Um dem Bedarf an psychologischer Unterstützung nachkommen zu können, hätten auch niedergelassene Psychotherapeuten in Trier Hilfe angeboten.

An alle so genannten Primäropfer – Hinterbliebene und Verletzte – seien Briefe geschickt worden. Auch zu den Sekundäropfern – Menschen, die die schreckliche Tat mitansehen und -erleben mussten – sei Kontakt aufgenommen worden.

Opfer solcher Straftaten haben in Deutschland das Recht auf staatliche Hilfe. Verankert ist das im Opferentschädigungsgesetz. „Ich appelliere an alle Opfer der Amokfahrt, beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung diese Hilfe zu beantragen“, betonte Placzek. Ersetzt würden Heil- und Krankenbehandlungen, Psychotherapie, Bestattungs- und Überführungskosten. Als Pauschale für eine Beerdigung würden beispielsweise 5460 Euro gezahlt.

Neben Hinterbliebenen- und Waisenrenten seien auch lebenslange Zahlungen möglich für alle, die dauerhafte Schäden durch die Amokfahrt erlitten haben. Der sogenannte „Grad der Beschädigung“ und damit auch die Höhe dieser Rente wird durch einen Arzt festgestellt. Bei der Novellierung des Opferentschädigungsgesetzes sei festgelegt worden, dass erst ab dem Jahr 2024 auch Opfer von Straftaten, die mit Autos oder LKW verübt werden, entschädigt werden können. „Aber dass es für die Trierer Amokfahrt eine Härtefallregelung geben wird und daher trotzdem gesetzliche Entschädigungen gezahlt werden, steht fest“, betonte Placzek.

Neben diesen gesetzlichen Ansprüchen können Opfer auch Anrecht auf Zahlungen von der Berufsgenossenschaft oder der Unfallkasse haben. „Aber auf keinen Fall soll es so sein, dass die Opfer von einer Stelle zur anderen tingeln müssen, um zu ihrem Recht zu kommen“, betonte Placzek. Um alle etwaigen finanziellen Hilfemöglichkeiten kümmere sich das Landesamt.

Placzek: „Wir reichen gegebenenfalls Anträge bei der Unfallkasse ein und werden auch den Versicherer des Autos, mit dem die Amokfahrt begangen wurde, in Regress nehmen für mögliche Schmerzensgeldzahlungen.

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