Neuauflage des Trierer Stolpersteine-Buches bringt keine Versöhnung

Trier · Die AG Frieden Trier gibt ihr Stolpersteine-Buch zum Gedenken an NS-Opfer nach einem Streit nun mit Korrekturen heraus. Der Kulturverein Kürenz will die Verteilung stoppen.

 Künstler Gunter Demnig verlegt fünf Stolpersteine im Gehweg vor dem Haus Zuckerbergstraße 16 in Trier. An einem Buch zu dem Projekt scheiden sich die Geister. TV-Foto: Archiv/Cordula Fischer

Künstler Gunter Demnig verlegt fünf Stolpersteine im Gehweg vor dem Haus Zuckerbergstraße 16 in Trier. An einem Buch zu dem Projekt scheiden sich die Geister. TV-Foto: Archiv/Cordula Fischer

Falschdarstellungen, Unterschlagungen und Unterlassungsansprüche: Es sind schwere Vorwürfe, die der Kulturverein Kürenz gegenüber der AG Frieden erhebt. Auf einer 25-seitigen Liste monieren die Verantwortlichen Dutzende Fehler im Buch "Stolpersteine erzählen".

Seit der Herausgabe im April 2016 (der TV berichtete) liegen die Vereine darüber in einem Rechtsstreit. Die AGF gibt das Buch mittlerweile mit überklebten Bildern und Passagen heraus. Da heißt es dann: "Dieses Foto soll mit Rücksicht auf die Gefühle von überlebenden Angehörigen nicht gezeigt werden." Die Liste des Kulturvereins wird jedoch nicht, wie gefordert, beigelegt.
Hintergrund ist eine Auseinandersetzung über die Art und Weise der Gedenkarbeit in Trier. An der Neuauflage, die im Gegensatz zum ersten Buch von der AGF in Eigenregie bearbeitet wurde, hat sich ein alter Streit um die Darstellung der Stolpersteine-Dokumentation neu entzündet.
Thomas Schnitzler vom Kürenzer Kulturverein spricht von einem Diebstahl seiner Recherchen in 20 bis 30 Fällen - einer Veröffentlichung habe er nie zugestimmt. Zudem seien Schülerarbeiten in "brutalster Weise abgegriffen" und Bildrechte zulasten der Opfer verletzt worden.

Als freiberuflicher Historiker hat Schnitzler viele der Geschichten recherchiert und rekonstruiert, mit Opferangehörigen gesprochen und Kontakte geknüpft. Die Recherchen seien sehr zeitaufwendig. Er ist enttäuscht über die fehlenden Referenzen in der Neuauflage. Er wird nicht als Autor aufgeführt, lediglich im Anhang des Buches wird dem Historiker für seine Recherchen gedankt.
Das sei kein Versehen, sondern überwiegend bewusst so gemacht worden. Die aus seiner Sicht unsaubere Arbeit schade der Seriosität des Projekts, und die Nachlässigkeit sei vor allem für die Schüler, die in vielen Projekten recherchiert haben, ein schlechtes Vorbild, moniert Schnitzler.

Die AGF wiederum kann Schnitzlers Haltung nicht verstehen. Es gehe nicht darum, ein wissenschaftliches Buch mit Referenzführung und Anspruch auf Vollständigkeit zu schreiben, erklären Ulrich Dann und Markus Pflüger. Vielmehr wollten sie mit Vereinfachung und Information möglichst viele Leser erreichen. Weil Schnitzler bei der ersten Auflage mitgearbeitet habe, hätten sie seine Recherchen ohne zu fragen wiederverwendet. Dies ist rechtlich ein Fehler. Sie seien nun schlauer, beteuern Dann und Pflüger. Vor allem Dann, der als Neuling im Projekt mit der Endredaktion betraut war, "konnte nicht alles 100-prozentig wissen", wie Pflüger meint. Auch einige weitere Fehler nimmt die AGF auf ihre Kappe und hat an der zweiten Auflage entsprechende Korrekturen vorgenommen.

Weil für eine gedruckte Neuauflage kein Geld vorhanden war, hat die AGF in zeitaufwendiger Arbeit die betroffenen Stellen in der Hälfte der Auflage (2000 Stück) überklebt. Die weit ausführlichere Liste mit Korrekturen des Kulturvereins beizulegen, lehnen Dann und Pflüger weiter ab. Nicht nur, weil einige Dinge aus ihrer Sicht falsch sind, sondern auch, weil sie das Dokument über die Auseinandersetzung der beiden Vereine ist. Pflüger und Dann sind zweifeln daran, dass sie sich das Projekt noch einmal zutrauen würden. Auch die AGF arbeitet komplett ehrenamtlich.

Das Buch ist mit den überklebten Passagen nun wieder erhältlich. Die AGF hält den Streit vorerst für beendet. Für Thomas Schnitzer sind die Korrekturen hingegen nur kosmetischer Natur. Rechtlich setzt sich der Kulturverein deshalb weiter dafür ein, die Verteilung der Bücher zu stoppen.Extra: RÜCKBLICK ZUR ZUSAMMENARBEIT


Lange Zeit haben die AG Frieden und der Kulturverein Kürenz zusammengearbeitet und die Stolpersteinverlegungen in Trier initiiert. 2013 erfolgte jedoch die Auflösung der Kooperation. Für die Gedenkarbeit hatten sie sich immer wieder zusammengerauft. Aber auch eine Mediation konnte die großen Differenzen nicht beseitigen, wie es von beiden Seiten heißt. Schon bei der Trennung ging es um die Gestaltung der neuen Stolpersteine-App sowie der Neuauflage der gemeinsamen Broschüre "Stolpersteine erzählen".

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