Neue alte Töne vom Mann mit der silbernen Querflöte

Befort · Großartige Kulisse, großartiger Künstler: Ian Anderson, Kopf der 70er-Jahre-Progrock-Band Jethro Tull, hat im luxemburgischen Befort ein beeindruckendes Open-Air-Konzert vor 1500 Zuhörern gespielt.

Befort. Der Regen ist vorbei, nur noch hohe weiße Federwolken sind am Himmel über der imposanten Ruine der Burg Beaufort zu sehen. Das in rot-blau-lila Tönen angestrahlte Gemäuer dient der großen Bühne auf der Burgwiese als Rückwand. Besser könnte die Kulisse für Ian Anderson nicht sein, sprang der doch in seiner Hochzeit in den 1970ern als Sänger der Band Jethro Tull gerne auch mal als mittelalterlicher Gaukler gewandet über die Bühne.1500 Konzertbesucher drängeln sich entlang der Hangstraße. Die ersten klettern über den flachen Teil der Mauer, um sich auf der zur Burg hin abschüssigen Wiese einen Platz zu suchen. Direkt vor der Bühne sind etwa 600 Stühle aufgestellt - ganz, wie es auch zu einem Progrock-Konzert der 70er Jahre gepasst hätte. Die Flöte ist ganz die alte

Denn Ian Anderson spielt diesmal keine Jethro-Tull-Klassiker, sondern deren melodisch, rhythmisch schwieriges und variantenreiches Konzeptalbum "Thick as a Brick" von 1972. Anders als bei den übrigen Terminen der Europa- und USA-Tournee, bringt die Band das Album konzertant auf die Bühne. Auf eine Show, die die zusammenhängende "Thick as a Brick"-Geschichte um einen achtjährigen Jungen in Videosequenzen und Schauspielszenen erzählt, verzichtet Anderson in Befort. Der Sound ist brillant. Die Stimme des 65-Jährigen ist brüchig und hohl geworden, aber immer noch ausdrucksstark und perfekt abgemischt. Seine Querflöte klingt wie früher: Anderson bläst, haucht oder speit die Luft in harten Stößen und mit viel Spielfreude in das Instrument. Mal sind die Töne liedhaft verbunden, mal abgehackt, mal lässt er seine Stimmbänder zusätzlich zu den Flötenklängen vibrieren. "Locomotive Breath" als ZugabeBeim 2012er Album "Thick as a Brick II" sind die Rhythmen wesentlich gerader, es gibt weniger Tempiwechsel und die Melodien sind weniger dicht gewebt als beim 40 Jahre alten Vorgänger. Dafür klingen beim neuen Album immer wieder bekannte Jethro-Tull-Riffs und -motive an. Nach gut eindreiviertel Stunden verabschiedet sich die Band von der Bühne. Und kommt zurück für eine hymnische Zugabe - eine ersehnte und mehr als zehn Minuten lange Version von "Locomotive Breath".Übrigens: Finanziell nötig hat Anderson es wohl nicht, immer noch auf der Bühne zu stehen. Mit mehreren Lachsfarmen und einer Firmengruppe hat der Schotte seit den 1990ern etliche Millionen Pfund verdient. woc

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