Neuer Straßenstrich in der Ruwerer Straße ärgert Bürger

Trier · Die Rotlichtszene in Trier-Nord wartet mit einem neuen Angebot auf: Zwei Prostituierte bieten seit einigen Tagen am Rand der Ruwerer Straße ihre Körper an. Beschwerden von Bürgern muss das Ordnungsamt abwehren. Der Straßenstrich ist grundsätzlich nicht verboten.

Trier. Ihr Kleid ist schwarz und glitzert und endet kurz unter dem Po. 33 Jahre alt ist die Rumänin, die sich seit einigen Tagen in der Ruwerer Straße Männern anbietet. Einige Meter weiter gegenüber, am Feldweg kurz vorm Bahnübergang, steht ihre jüngere Kollegin. Mit Jeansmini, rosa Top und Kapuzensweatshirt sieht sie aus wie Dutzende andere junge Frauen, die am Wochenende auf dem Zurlaubener Moselfest unterwegs waren. Bis auf die pinken, hochhackigen Pumps vielleicht.
Finanzamt kassiert mit


Aus ihrer Handtasche zieht die 33-Jährige eine Bescheinigung des Trierer Finanzamts. "Die hab ich immer dabei, falls jemand fragt", sagt sie in gebrochenem Deutsch. Auf dem Formular trägt die Frau die Tage ein, an denen sie als Prostituierte arbeitet. Auf dem zweiten Formblatt werden die Arbeitstage mit 25 Euro multipliziert, die Summe muss sie ans Finanzamt abführen.
Potenzielle Kundschaft gibt es genug: Durch Loeb- und Ruwerer Straße fahren pro Tag rund 10 000 Fahrzeuge. Ist im Industriegebiet Feierabend, sind es bis zu 1000 Autos pro Stunde. "Und jeder, der da lang fährt, bekommt die Damen zu Gesicht", seufzt Monika Thenot. Mehrere Bürger haben sich bei der Ortsvorsteherin von Ruwer beschwert. "Vor allem Frauen, die sich an dem Anblick stören und daran, dass ihre Kinder Fragen stellen, warum die Damen denn da am Straßenrand rumstehen." Die CDU-Stadträtin hat daher an Oberbürgermeister Klaus Jensen geschrieben und ihn zur "schnellstmöglichen Abschaffung dieses Zustands" aufgefordert. Zwar sei Deutschland ein freies Land, in dem jeder innerhalb der gesetzlichen Vorgaben tun und lassen könne, was er wolle. Allerdings dürfe man dabei "andere nicht stören", argumentiert Thenot, die eine "verheerende Wirkung" des neuen Straßenstrichs auf den Ruf ihres Stadtteils fürchtet.
Der Straßenstrich sei "unmoralisch", findet auch ein Familienvater, der nicht will, dass seine Söhne dem Anblick der beiden Frauen ausgesetzt sind. "So etwas gehört ausschließlich in entsprechende Etablissements", konstatiert der Ruwerer.
Keine Wohnwagen, kein Verbot


Rechtlich hat die Stadt allerdings keine Handhabe gegen die beiden Damen: Außerhalb des Sperrbezirks, der in der Loebstraße endet, ist Straßenprostitution erlaubt - sofern die Damen sich beim Finanzamt anmelden. "Hätten die Frauen für die Ausübung ihres Gewerbes in der Nähe Wohnwagen abgestellt, könnte man das eventuell baurechtlich beanstanden und dagegen vorgehen", sagt Roman Schmitz, Leiter des kommunalen Vollzugsdiensts beim städtischen Ordnungsamt, "aber es gibt keine Wohnwagen." Geprüft hat die Verwaltung auch, ob der Straßenstrich als "Sondernutzung des öffentlichen Straßenraums" zu werten ist, die die Stadt untersagen könnte. Doch das Offerieren des eigenen Körpers definiere das Landesstraßengesetz nicht als Sondernutzung, erklärt Schmitz, warum ein Verbot auch auf diesem Wege nicht infrage kommt. "Dann muss die Stadt eben das Sperrgebiet ausweiten", verlangt Ortsvorsteherin Thenot.
Geschäfte laufen schlecht


Grundsätzlich wäre das möglich. Zurzeit sieht die Verwaltung dafür allerdings keine Veranlassung: "Es handelt sich um ein reines Industriegebiet, es ist keine Schule und kein Kindergarten in der Nähe. Die Damen sind bekleidet und somit auch kein öffentliches Ärgernis", sagt Schmitz.
Solange sich kein kriminelles Umfeld entwickele, müssten sich die Ruwerer an den Straßenstrich gewöhnen. "Von Gesetzes wegen dürfen wir nicht das gesamte Stadtgebiet zum Sperrgebiet erklären", sagt Schmitz, "vielmehr müssen wir auch dieses Gewerbe zulassen."
"Nicht unser Niveau"


Das Ordnungsamt setzt darauf, dass sich die Angelegenheit von selbst erledigt. "Die Ruwerer Straße ist kein attraktiver Ort für Straßenprostitution", schätzt Schmitz die Lage ein. "Es gibt kein Hotel in der Nähe, keine Rückzugsmöglichkeit, und es herrscht zu viel Betrieb." Zudem hätten Ordnungsamt und Polizei bereits den "Kontrolldruck" erhöht. "Das macht die Sache sowohl für die Frauen als auch für die Männer unattraktiver", sagt Schmitz.
Offenbar laufen die Geschäfte tatsächlich nicht gut. "Es kommen nicht viele Kunden", sagt die Prostituierte. Ihr Gewerbe hat sie daher erstmal nur für drei Monate beim Finanzamt angemeldet. "Ob ich verlängere oder nicht, muss ich dann sehen", erklärt die freundliche Frau mit dem tiefen Dekolleté.
Dass die Damen zu einem der vier Sexclubs im Umfeld der Ruwerer Straße gehören könnten, verneint Rigo Wendt vom Club Pearls in der Rudolf-Diesel-Straße. "Das ist nicht unser Niveau", betont Wendt. Über die Entwicklung wundert er sich allerdings nicht: "Die Stadt lässt neue Etablissements ausschließlich in Trier-Nord zu. Durch diese Konzentrierung ist viel Kundschaft im Viertel - dass sich da ein Straßenstrich ansiedelt, war nur eine Frage der Zeit.

Extra

Bordelle sind in Gewerbegebieten grundsätzlich zulässig. Die städtische Bauaufsichtsbehörde in Trier versucht jedoch - etwa durch das Verbot von sogenannten Vergnügungsbetrieben in neuen Bebauungsplänen - entsprechende Etablissements auf Trier-Nord zu beschränken. Neben den vier dortigen Clubs - zwei in der Loebstraße, einer in der Metternichstraße, einer in der Rudolf-Diesel-Straße - gibt\\'s in Trier noch ein Bordell in der Luxemburger Straße und mehrere Bars in der Karl-Marx-Straße, in denen Frauen ihre Dienste anbieten. Sperrgebiete schließen lediglich Straßenprostitution aus, Bordelle und Sexbars sind auch innerhalb von Sperrgrenzen grundsätzlich genehmigungsfähig. Außer den beiden Frauen in der Ruwerer Straße ist dem Ordnungsamt in Trier kein Straßenstrich bekannt. So genannte Wohnungsprostitution, bei der Damen und Herren ihre Freier bei sich zu Hause empfangen, ist als Gewerbe nur in reinen Wohngebieten verboten. In Mischgebieten wie der Innenstadt ist Wohnungsprostitution erlaubt, sofern sie beim Finanzamt gemeldet ist und Steuern gezahlt werden. woc

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