Niemandes Narr

TRIER. Der Historiker Johannes Platz ist kein Mann des Zeitgeists: Dass der reflektierende Querdenker oft aneckt, stört ihn selbst am wenigsten. Heute wird der streitbare Schuhmachersohn 35 Jahre alt.

Johannes Platz will in keine Schublade passen. Gerade noch hat er sich als "Sozialdemokrat, und zwar ein linker", bezeichnet, da befürwortet der Historiker den Irakkrieg der USA und ihrer Verbündeten: "Hundertprozentig" sei er dafür gewesen, lässt er keinen Zweifel an seiner Haltung aufkommen, die er schon vor dem Angriff auf den Golfstaat eingenommen hatte. Weil das "durch-und-durch faschistische Regime Husseins nicht anders zu beseitigen war", ist er überzeugt. Gerhard Schröders Agieren gegen den Waffengang fand er "hochnotpeinlich", und dem "gepflegten Antiamerikanismus der Friedensbewegung" kann der streitbare Trierer nichts abgewinnen. Wenn "Hannes" Platz aneckt, dann aus Überzeugung. Ein unabhängiger Kopf eben.Studierte erst Jura, dann Geschichte

Heute vor 35 Jahren wurde der Schuhmachersohn geboren. Im Stadtteil Heiligkreuz wuchs er auf, machte sein Abitur am Max-Planck-Gymnasium. Danach studierte der unkomplizierte Blonde an der Universität Trier: anfangs Jura, dann Geschichte und Philosophie. Dass er seiner Vaterstadt bis heute treu geblieben ist, hat keinen tieferen Sinn, schon gar nicht will er sich einen "Lokalpatrioten" nennen lassen. Aber "ich häng' schon an Trier", sagt Platz schmunzelnd in der etwas chaotischen Küche seiner WG; seit einigen Jahren lebt der Sohn im Hinterhaus des väterlichen Betriebs in der Dietrichstraße. Viele Jahre spielte sich ein Großteil seines Lebens auch im Exzellenzhaus ab: Von 1996 bis 2004 war er Vorsitzender des Vereins, der das Jugend- und Kulturzentrum im Trierer Norden trägt. Gleich drei Gründe hatten ihn zu diesem Engagement bewogen: Alte Verbundenheit aus Kinder- und Jugendtagen; das soziale Motiv, benachteiligten jungen Menschen einen Ausgleich zu bieten, und "dass im Ex-Haus Jugendkultur ernst genommen wird". Was wiederum nicht heißt, dass Platz jede Form von Jugendkultur toleriert: Die Entscheidung des Exzellenzhauses, den "homophoben und sexistischen" Rapper Bushido auszuladen, war ganz in seinem Sinne; per Leserbrief gratulierte Platz seinem alten Verein. Seit einigen Jahren engagiert sich der Historiker nun vor allem in der noch jungen Trierer Arbeitsgemeinschaft der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG). "Es geht uns darum, eine kritische Perspektive auf die hiesige Wahrnehmung der Politik Israels zu werfen", umschreibt er die Motivation für sein Engagement in der DIG. Denn in der deutschen Öffentlichkeit herrsche eine "unterschwellige Parteinahme zugunsten der Palästinenser", behauptet Platz. Er sagt das ganz unaufgeregt, laut und emotional erlebt man den reflektierten Querdenker selten. Platz argumentiert überlegt, verbale Schnellschüsse sind seine Sache nicht. Momentan promoviert er zum Thema Kritische Sozialwissenschaft und Demokratie, noch in diesem Jahr will er seine Dissertation abschließen. Dass er auch dann noch in Trier bleiben wird, ist eher fraglich: "Schließlich halten sich die Stellenangebote für promovierte Historiker in Grenzen", macht sich Platz keine übetriebenen Hoffnungen und lässt schon mal erkennen, dass er sich auf ein Leben fernab der Heimat einstellt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort