"Nirgends ist man der Antike so nah"

Trier · Der "Oscar der Deutschen Altertumswissenschaften" geht an den Trierer Hellenismus-Experten Professor Hans-Joachim Gehrke.

 Uni-Präsident Professor Michael Jäckel (rechts) überreicht Professor Hans-Joachim Gehrke die begehrte Ausonius-Figur. Foto: Uni Trier

Uni-Präsident Professor Michael Jäckel (rechts) überreicht Professor Hans-Joachim Gehrke die begehrte Ausonius-Figur. Foto: Uni Trier

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Trier (red) Die Odyssee, der trojanische Krieg, Illias: Wenn von griechischen Geschichten und Geschichte die Rede ist, lassen sich Fiktion und Realität oft nicht auseinanderhalten. Das liegt jedoch nicht an unserer neuzeitlichen Auffassung. Die Griechen selbst haben hier keinen Unterschied gemacht: Dichter und Künstler gestalteten gemeinsam mit dem Publikum bei Aufführungen mit Tanz, Gesang und Gelagen die Mythen-Geschichte. Aus vielen verschiedenen Geschichten bildete sich ein historisches Gewebe, bunt, wie am Webstuhl geordnet. Später verbanden sich die großen Geschichten mit aktuellen Zuständen und vermischten sich durch Wanderungsbewegungen und Kolonialisierung mit Geschichten anderer Völker.
In seinem Festvortrag "Griechische Mythen als Geschichte der Griechen" anlässlich der Verleihung des Ausonius-Preises zeichnet Professor Hans-Joachim Gehrke ein imposantes und farbenprächtiges Bild des Beginns der europäischen Literatur und Geschichtsschreibung. Er bestätigt damit eindrucksvoll die Worte des Laudators, des Trierer Althistorikers Professor Christoph Schäfer: "Der Ausonius-Preis würdigt im 20. Jahr seines Bestehens das Lebenswerk einer herausragenden Persönlichkeit. Hans-Joachim Gehrke hat ganze Generationen von Hellenismusforschern beeinflusst. Es ist sein Verdienst, dass wir diese Epoche der Antike heute so prononciert und spannend sehen können."
Der Preisträger wiederum hebt den besonderen Ort der Verleihung hervor: "Nirgends ist man der Antike so nah wie in Trier." Das gelte nicht nur in Bezug auf die Geschichte der Stadt, sondern auch mit Blick auf die Uni mit ihren Altertumswissenschaften, die weit über Trier hinaus eine herausragende Bedeutung erlangt hätten. Auch der Ausonius-Preis habe eine anerkannte Stellung im Fach, was nicht zuletzt die Liste der Preisträger widerspiegele - "ein beredtes Zeugnis kluger Auswahl", so der Dekan des Fachbereichs III, Professor Torsten Mattern. Uni-Präsident Professor Michael Jäckel nennt den Ausoniuspreis gar den "Oscar der Deutschen Altertumswissenschaften".
Neben einem Preisgeld von 1500 Euro nimmt Hans-Joachim Gehrke eine Statuette des Ausonius in Empfang - eine Nachbildung der Ausonius-Statue in Neumagen-Dhron, dem einzigen Bildnis des Dichters. Antike Bildnisse von ihm sind nicht erhalten.
Hans-Joachim Gehrke ist Autor einer Vielzahl von Publikationen. Nach dem Studium der Fächer Geschichte, Klassische Philologie, Philosophie und Pädagogik wurde er 1973 an der Georg-August-Universität in Göttingen bei Alfred Heuß promoviert mit einer Arbeit zu dem athenischen Politiker und Feldherrn Phokion. 1982 habilitierte er ebenfalls mit einer Studie zu den inneren Kriegen in den griechischen Staaten des fünften und vierten Jahrhunderts vor Christus. Von 2008 bis 2011 war Gehrke Präsident des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin.
Extra: DAS STECKT HINTER DEM AUSONIUS-PREIS


Den Ausonius-Preis verleihen die Fachbereiche II und III der Universität Trier seit 1998 einmal jährlich in Anerkennung einer herausragenden wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiet der Klassischen Philologie oder der Alten Geschichte oder in Anerkennung des wissenschaftlichen Gesamtwerks in diesen Fächern. Benannt ist die Auszeichnung nach dem spätantiken Dichter Ausonius, der im Jahr 365 nach Christus als Lehrer und Erzieher an den kaiserlichen Hof nach Trier kam. In der Reisebeschreibung "Mosella" schildert Ausonius die Mosellandschaft und die Stadt Trier.

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