Note Fünf für die Förderung

Die individuelle Förderung der Schweicher Schüler in der Gemeinsamen Orientierungsstufe lässt offenbar zu wünschen übrig. Grund: Das einmalige Unterrichtsmodell, das eine Doppelbesetzung mit einem Gymnasial- und einem Realschullehrer vorsieht, krankt am Personalmangel.

Schweich. (f.k.) In der Klasse 5d der Gemeinsamen Orientierungsstufe (GOS) Schweich bietet sich ein ungewohntes Bild: An der Tafel stehen zwei Lehrer. Während Ludger Arend die Hausaufgaben abfragt, wartet Christine Rosar auf ihren Einsatz. Nach der Überprüfung nennt sie Namen einer Handvoll Schüler und verlässt mit ihnen das Klassenzimmer. Im Raum nebenan geht die Lehrerin individuell auf die Kinder ein. Dass zwei Pädagogen gemeinsam in den Hauptfächern unterrichten, ist Teil des Modells der GOS in Schweich.

Anders als sonst in Rheinland-Pfalz lernen dort alle Fünft- und Sechstklässler nach der Grundschule noch zwei weitere Jahre zusammen. Und dies unabhängig von ihrer Schulartempfehlung. Erst ab der siebten Klasse trennen sich die Wege: in das neu entstehende Gymnasium und in die Realschule plus. "Für jede Klasse sind drei Stunden pro Woche, in denen zwei Lehrer unterrichten, vorgesehen", sagt Schulleiter Mirz. Aber das sei zu wenig. Er brauche die doppelte Anzahl. Ein weiteres Problem: Durch Krankmeldungen werde das Modell ständig beeinträchtigt. Denn bevor ein Lehrer als zweite Lehrkraft in eine Klasse gehe, müsse er erst einmal dort einspringen, wo der Pflichtunterricht ausfällt.

"So kommen die meisten der notwendigen Stunden mit Doppelbesetzung erst gar nicht zustande", bedauert Mirz. Die GOS so weiterzuführen, sei ein Fehler, meint der Schulleiter. Mehr Arbeitszeit am Kind sei erforderlich.

"Ich bin oft überfordert", sagt ein Fünftklässler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. "Die Schwachen gehen unter, weil nur Gymnasialstoff vermittelt wird", schimpft seine Mutter. Das führe auf beiden Seiten zu Frust und dann auch zu Aggressionen. Der Vater eines Kindes mit sehr guten Noten zeigt die andere Seite: "Die Schwachen bremsen die Guten aus."

Auch Elternsprecherin Claudia Wirtz sieht das Dilemma: "Die Schule bemüht sich sehr, leistungsstarke und schwache Schüler gesondert zu fördern. Doch der personelle Rahmen reicht dazu nicht."

Im Schulressort bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier ist die Problematik bekannt - wird aber im Prinzip als unvermeidbar betrachtet. ADD-Sprecherin Eveline Dziendziol: "Es wird immer Schüler und Eltern geben, die glauben über- oder unterfordert zu sein." Da sich sowohl Eltern schwächerer als auch stärkerer Kinder beschwerten, sei davon auszugehen, dass die Schule die Balance halte und keinen vernachlässige.

Dziendziol: "Das Stefan-Andres-Gymnasium ist sehr gut mit Lehrern versorgt, eine Ausweitung ist nicht vorgesehen." Auf mehr Lehrer kann Schulleiter Mirz also kaum hoffen.

Extra

Das Stefan-Andres-Schulzentrum Schweich bietet eine gemeinsame Orientierungsstufe von Gymnasium und Realschule plus unter Federführung des Gymnasiums. Viele Kinder sollen über einen längeren Zeitraum beobachtet und die Eltern länger über deren Bildungsweg ohne Schulwechsel beraten werden. Den Lernbedürfnissen aller Kinder wird durch eine entsprechende Vorbereitung des Unterrichts, durch Förderung und Forderung auf vielfältige Weise entsprochen. Zahlreiche Eltern meldeten ihre Kinder an der GOS an.

Meinung

Falsche Sparsamkeit

Mit großen Hoffnungen und einigen Vorschusslorbeeren war 2009 das Schweicher Gymnasium mit Realschule plus und gemeinsamer Orientierungsstufe (GOS) ins Rennen gegangen. Für die Kinder könnte dieses pädagogische Modell der Idealfall sein: individuelle Hilfe für die Schwachen und gezielte Förderung der "Überflieger". Das Konzept ist sicher stimmig und durchdacht, der pädagogische Ansatz richtig. Doch leider ist den Verantwortlichen in Mainz ein Denkfehler unterlaufen. Ein solches Konzept erfordert einen deutlich höheren Personal- und Kostenaufwand. Mehr, als dem Schweicher Modell bisher zugestanden wurde. Nun droht es, kaputtgespart zu werden - absurderweise gerade zum Nachteil derer, die es fördern sollte. f.knopp@volksfreund.de

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