Ökonom und Ökologe

TRIER. Seit fast 15 Jahren lebt Zeljko Brkic in Trier. Der Volkswirt, einer der beiden Geschäftsführer der Lokalen Agenda 21, sieht Trier als seine zweite Heimat – ohne seine Wurzeln zu verleugnen.

Bücher können eine Menge über deren Besitzer aussagen: Im Wohnzimmerregal von Zeljko Brkic stehen Werke in kyrillischer Schrift, auf einem findet sich der Name des bosnisch-serbischen Autors Mefla Selimovic. Einträchtig stehen daneben Thomas Manns "Erzählungen", aber auch eine Ausgabe über den Philosophen Platon. Und ganz unten findet sich ein altes Wörterbuch, "Deutsch als Fremdsprache". Brkic ist schon seiner Herkunft wegen ein Kind etlicher Welten, die Familie serbisch-kroatischen Ursprungs, er selbst in der einstigen Olympiastadt Sarajewo aufgewachsen. "Heimat", das ist für ihn heute aber auch Trier, wo Brkic als einer der beiden Geschäftsführer des Vereins Lokale Agenda 21 Trier tätig ist. "Wenn ich gefragt werde, woher ich komme, sage ich: aus dem früheren Jugoslawien", sagt Brkic. Er habe es als "persönlichen Verlust" empfunden, als der Vielvölkerstaat in den Bürgerkriegen auseinanderbrach. Bosnien sei für ihn als Heimat zu klein, "ich fühle mich auch als Kroate". Wer den Balkan verstehen wolle, solle sich die Filme von Regisseur Emir Kusturica, der auch aus Sarajewo stammt, anschauen. Und die Bücher von Nobelpreisträger Ivo Andric lesen. Vor fast 15 Jahren ist der heute 41-jährige Brkic mit seiner Familie vor dem drohenden Bürgerkrieg ausgewandert - nach Rheinland-Pfalz, wo bereits Verwandte lebten. Tochter Monika war zu dem Zeitpunkt erst eineinhalb Jahre alt, Brkic kennt Deutschland aber aus früheren Besuchen, er spricht zudem fließend Deutsch. "Anfänglich dachten wir nicht, dass wir hier des Krieges wegen dauerhaft bleiben würden." An eine Rückkehr denkt er aber nicht mehr, Sarajewo habe sich verändert. "Viele meiner damaligen Freunde sind verstreut, manche leben in Kanada und Schweden", sagt Brkic, der an der Universität Trier selbst sein jugoslawisches Wirtschaftsstudium erneut abschloss und als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war. Er erzählt aus der Jugend, gesungen und getanzt habe man auf Festen, ganz wie der Vater und der Großvater hat Brkic dazu auch Gitarre gespielt. "Dernek" ist in Bosnien die Bezeichnung für ein solches Fest, ein "Turkzismus" - nur eine von vielen Erinnerungen an die jahrhundertelange türkisch-osmanische Herrschaft in Bosnien-Herzegowina. Für den Saitengriff fehlt mittlerweile die Zeit, dafür widmet er sich dem Sport, insbesondere dem Basketball - "Jugoslawien war einmal Maßstab in dieser Sportart", erinnert Brkic, die Spiele des TTB Trier verfolgt er aufmerksam. Überhaupt: In Trier hat der Zuwanderer feste Wurzeln geschlagen. Er schätzt die Geschichte und die fehlende Hektik seiner "zweiten Heimat", die Stadt habe sich zudem positiv entwickelt. "Mir gefällt es hier immer besser." Anfänglich habe er keinen Bezug zur Moselstadt gehabt, sagt Brkic. Heute fühlt er sich integriert. "Für uns war es selbstverständlich, die neue Kultur kennen zu lernen", sagt der Migrant, seiner Herkunft wegen hat er sich sogar im Trierer Ausländerbeirat engagiert. Als die Frage nach seinen eigenen Lebensplänen gestellt wird, zögert der Weltenbummler. Das Leben sei unvorhersehbar und zugleich spannend, führt er aus. Aber dann sagt er: "Mich intellektuell weiterentwickeln, das ist mein Ziel" - nicht stehen bleiben, sondern jeden Tag neue Erfahrungen gewinnen.

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