Offener Brief zur Lokrichthalle Trier-West im Wortlaut „Warten, bis sich das ,Problem’ von selbst löst, ist nicht Denkmalschutz“

In einem offenen Brief wenden sich mehrere renommierte Architekten und ihre Verbände gegen den bevorstehenden Abriss der alten Lokrichthalle in Trier-West. Wir dokumentieren den Brief in Originallänge.

Offener Brief zur Lokrichthalle Trier-West im Wortlaut
Foto: Rainer Neubert

„Die denkmalgeschützte Lokrichthalle des Bahnausbesserungswerks in Trier West ist schon durch ihre Größe kein einfaches Gebäude für die Umnutzung. Dass es aber über Jahrzehnte bewusst dem stetigen Verfall preisgegeben wurde und jetzt ein Deal mit einem Investor gemacht wurde, der die Halle trotz (ehemaligem) Schutzstatus bis auf zwei Alibi-Giebelwände abreißen darf, hat auch bei nüchterner Betrachtung ein Geschmäckle, das dem Verhältnis von Bürgern und Verwaltung nicht guttut.

Da ist erst einmal der Denkmalschutz: Wer schon einmal ein denkmalgeschütztes Haus renoviert hat weiß, dass es keine Lappalie ist, sondern in der Regel Nerven und noch mehr Geld kostet. Aber zurecht, geht es doch hierbei um den Erhalt von Kulturgütern. Deshalb ist es völlig unverständlich, wie wenig Kulturverständnis Trier gerade bei diesem außergewöhnlichen Gebäude zeigt. Seit Jahren wird nach einer angemessenen Lösung gesucht, und es ist zu vermuten, dass bei dieser Suche bewusst auf Zeit gespielt wurde, damit die Substanz so leidet, dass am Ende nur noch eine Option übrigbleibt - der jetzt beschlossene Abriss. Den Denkmalschutz über ein bautechnisches Gutachten auszuhebeln verspricht jedenfalls wenig Bewusstsein und Wertschätzung für die Identität eines von Generationen geprägten und prägenden Ortes.

Berufsverbände und Non-Profit-Organisationen haben in Zeiten des Klimawandels mittlerweile erkannt, dass der Bausektor beim bisher extrem energie- und materialintensiven Errichten und Betreiben von Gebäuden einen maßgeblichen Beitrag leisten muss, um die Umweltbelastungen unserer verbrauchsorientierten Wirtschaftsweise reduzieren zu können. Mit seinem Manifest „DAS HAUS DER ERDE“ von 2019 verbindet der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten die politische Forderung, das Bauen vermehrt ohne Neubau auskommen muss: „Priorität kommt dem Erhalt und dem materiellen wie konstruktiven Weiterbauen des Bestehenden zu und nicht dessen leichtfertigem Abriss. Die „graue Energie“, die vom Material über den Transport bis zur Konstruktion in Bestandsgebäuden steckt, wird ein wichtiger Maßstab zur energetischen Bewertung sowohl im Planungsprozess als auch in den gesetzlichen Regularien. Wir brauchen eine neue Kultur des Pflegens und Reparierens.“

“Achtung des Bestands“ ist der Aufruf zu einer reduktiven Strategie in der Architektur, das Bauen nach dem Wachstum nicht Verzicht bedeutet, sondern zum Testfeld für nachhaltige Wohn- und Arbeitsformen werden muss. Da war die Idee innerhalb des im April 2014 im Trierer Stadtrat als Satzung beschlossenen Bebauungsplans BW 61-1 ein Sondergebiet „Leben im Denkmal“ für die Lokrichthalle auszuweisen der richtige Ansatz. Allein beim Einsatz für die Umsetzung dieser Idee reicht es nicht aus sich als Kommune nur in eine abwartende Haltung zu begeben und auf den „gütigen“ Investor für „die Kathedrale der Industriebaukultur“ zu warten. Beispiele wie die bereits vor 20 Jahren umgenutzte LOKHALLE in Göttingen, die Alte Dreherei in Mülheim-Speldorf oder die Lokhalle Grünhof in Freiburg zeigen auf wie mit kreativer Herangehensweise und finanzieller Unterstützung der Denkmalpflege Baudenkmale auch dieser Dimension als Identitätsstiftende Zeitzeugen erhalten werden können.

Der Abriss ignoriert Ressourcen und vernichtet Energie, der Abriß ist eine große Geld- und Ressourcenverschwendung.

Falls in Trier doch ein Abriss vollzogen werden muß, so sind die Baustoffe, d.h. Klinker, Stahlträger etc. sinnvoll wieder zu verwenden. Der bloße Erhalt der Giebelwände ist peinlich und für so ein Gebäude würdelos. Die Halle hat Grabplatten dieser Art nicht verdient. Was aus solchen Ideen wird, ist an der Ostallee, Alleencenter zu bestaunen, eines der misslungensten Gebäude der Innenstadt.

Es ist ja nicht so, dass wir seit Jahren ratlos vor diesem besonderen Gebäude stehen und nicht wissen, was wir damit in seinem zweiten Leben - welches es jetzt nicht haben wird - anfangen sollen. Im Laufe der letzten Jahre sind viel schöne Ideen und Konzepte entstanden, an denen auch unter anderen der Fachbereich Architektur der Hochschule Trier beteiligt war. Die Studierenden lernen sensibel, mit gewachsener Baukultur als hohes gesellschaftliches Gut umzugehen. Die Unterzeichner bezweifeln wirklich, ob die Stadtverwaltung als untere Denkmalschutzbehörde sich ihres Tuns bewusst ist. Wir können und werden nicht akzeptieren, dass der Abriss jetzt als „alternativlos“ dargestellt wird.

Aus rein ökonomischer Sicht wirklich alternativlos ist der Abriss wohl nur für den Investor, dem man mit der Rücknahme des Denkmalschutzstatus der Lokrichthalle einen riesigen Gefallen tut. Wer Böses dabei denkt, sieht hier vielleicht einen Zusammenhang. Wurde hier Investoreninteresse gegen Denkmalschutz aufgewogen? Wenn dem so wäre, hat man mit zweierlei Maß gemessen. Mag auch Geld die Welt regieren und dazu noch ungerecht verteilt sein, die Kultur - und dazu zählt nicht zuletzt die Baukultur - gehört uns allen. Leider wird gerade ein bedeutendes Zeugnis vergangener Industrie- und Arbeitskultur von wenigen, die andere Ziele haben für immer beseitigt. Das ist ja wirklich keine Kunst!

Das Trierer Baudezernat, das auch in der Verantwortung für unsere Kulturgüter steht, macht bei der ganzen Geschichte leider keine gute Figur. Wie so oft werden Entscheidungen, die alle Bürger der Stadt betreffen, hinter den Kulissen zumindest weitestgehend vorverhandelt und auf die Einbeziehung der Bürger - unter ihnen gibt es einige mit hervorragendem Fachwissen und Sachverstand - gerne verzichtet.

Das ist genauso fragwürdig und bedauerlich, wie das Schicksal der Lokrichthalle. Eigentlich sollten sich das die Bürger der Stadt nicht einfach gefallen lassen.

Unsere größte Sorge ist der Abriss des Industriedenkmals und eine anschließende Grundstücksveräußerung mit neuem Baurecht ohne Rücksicht auf gewachsene Industriekultur.

Die Unterzeichner bitten um eine offene Diskussion über den weiteren Umgang der Halle als Industriedenkmal oder deren Überreste im Kontext einer neuen Grundstücksbebauung.

Unterzeichner (in alphabetischer Reihenfolge):

Prof. Dr. Matthias Sieveke (Stv. Vorsitzender Baukultur Trier)

Prof. Marcus Rommel (Stv. Vorsitzender Bund Deutscher Architekten, Landesverband Rheinland-Pfalz)

Prof. Robert P. Thum (Leiter Fachbereich Gestaltung, Fachrichtung Architektur, Hochschule Trier)

Betrand Herberich (Vorsitzender Trier Forum)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort