Offener Vollzug ohne Gericht

Zum Artikel "Wenig Hoffnung am Ende des Weges"und zum Kommentar "Fehler im System" (TV vom 15. Januar):

Einrichtungen wie das "Ausreisezentrum" werden im Kommentar völlig richtig als "Armutszeugnis für Deutschland" und als "Fehler im System" bezeichnet. Trotzdem gehen Artikel und Kommentar davon aus, dass Ausreisezentren notwendig seien, um abgelehnte Asylbewerber aufzunehmen, die aus eigenem Verschulden noch nicht abgeschoben werden können. Diese werden dabei pauschal als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet, die ihre Identität verschleiern oder nicht freiwillig ausreisen wollen. Ich möchte dazu zwei Anmerkungen machen: 1. Der Fehler im System liegt schon darin, dass das deutsche Asylrecht unzulänglich ist, weil es nicht nach Gesichtspunkten der Menschlichkeit funktioniert. Beispiel Irak: Nur 16 Prozent der Flüchtlinge aus dem Irak erhielten 2002 Asyl, in manche Landesteile wird bis heute abgeschoben, obwohl die katastrophale Menschenrechtslage im Irak bekannt ist und Krieg droht. 2. Die "Ausreisezentren" funktionieren tatsächlich wie ein offener Strafvollzug, rechtsstaatliche Grundprinzipien werden jedoch umgangen: Die Einweisung in ein Ausreisezentrum wird nicht richterlich angeordnet, sondern liegt allein im Ermessen der zuständigen Behörden. Eine richterliche Überprüfung der Vorwürfe erfolgt nicht, die Betroffenen haben keine Möglichkeit, gegen die unbefristete Einweisung in ein Ausreisezentrum zu klagen. In einem Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz entschieden, dass sich die Unterbringung in einem Ausreisezentrum nicht als strafähnliche Maßnahme ­ also auch nicht als Strafmaßnahme wegen angeblicher Verschleierung der Identität ­ darstellen dürfe. Auch eine erzwungene "psychologische Beratung" wird vom OVG kritisiert, da "eine Beugung des Willens durch psychologische Maßnahmen rechtsstaatlich nicht vertretbar" sei. Aus diesen Gründen sind die "Ausreisezentren" ein Armutszeugnis für Deutschland. Rheinland-Pfalz sollte sich der Initiative der Länder Berlin, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen anschließen, die erklärt haben, keine Ausreisezentren einrichten zu wollen. Melanie Werner Multikulturelles Zentrum e.V. 54290 Trier

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort