Ohne Geld bleibt der Hahn zu

TRIER. Energiekonzerne schlagen Alarm: Immer mehr Haushalte können ihre Strom- und Gas-Rechnungen nicht zahlen. Bundesweit schulden ihnen Privatkunden eine dreistellige Millionensumme. Auch in der Region nehmen die säumigen Zahler zu. Experten raten, bei finanziellen Schwierigkeiten tätig zu werden – sonst droht eine Sperrung.

Im Westerwald ist dieser Tage ein Heizölhändler in die Schlagzeilen geraten, der in den Keller eines Kunden einbrach und dort Öl abpumpte, nachdem er auf einer offenen Rechnung sitzen geblieben war. Mit Einbrüchen müssen säumige Zahler von Gas- und Stromrechnungen zwar nicht rechnen. Doch wer die Konzerne zu lange hinhält, riskiert, dass ihm der Strom abgeklemmt oder der Gashahn zugedreht wird. "Bis August dieses Jahres gab es bei uns rund 950 Sperrungen - ein Trend, der auf 1400 bis 1450 Sperrungen für 2006 schließen lässt", sagt Jürgen Slowik, Sprecher der Stadtwerke Trier (SWT). 2005 lag die Zahl bei 1300. "Der bundesweite Trend, dass Kunden ihre Rechnungen nicht zahlen oder die erste Mahnung abwarten, ist auch bei uns spürbar", sagt Stadtwerke-Sprecher Jürgen Slowik. "Allerdings kann von einer Tendenz ausgegangen werden, die noch im einstelligen Prozentbereich liegt." Beim zweiten großen Energieversorger der Region, der RWE, heißt es, ein Prozent der 2,4 Millionen Kunden erfordere "einen erhöhten Betreuungsaufwand", im Klartext: Sie zahlen nicht ordnungsgemäß. Über die Höhe der Schulden ihrer Privatkunden schweigen sowohl SWT als auch RWE. Experten schätzen, dass die Energieversorger bundesweit auf mehr als hundert Millionen Euro warten. Und die Tendenz steigt, wie die Konzerne unisono sagen. Dass Kunden aus Ärger über Energiepreiserhöhungen ihre Rechnungen nicht zahlten, ist laut RWE kein Thema. Nicht immer seien die Gründe für ausbleibende Zahlungen eindeutig zu ermitteln, sagt Silke Lachenmaier von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. "Manche Kunden, die Widerspruch gegen die Preiserhöhungen einlegen, zahlen vor allem deshalb nicht, weil sie kein Geld haben." Die Expertin verweist darauf, dass Widersprüchler den unstrittigen Teil der Rechnung begleichen müssen, damit ihnen keine Sperre droht. Gasbezug auf Guthaben-Basis

Wer gar nicht zahlt, erhält in der Regel sieben Tage nach Zahlungsverzug eine Erinnerung, nach weiteren sieben Tagen eine Mahnung mit Sperrandrohung. Sind noch einmal zwei Wochen vergangen, muss er mit dem Besuch eines "Sperrkassierers" rechnen. In den meisten Fällen wirkt das Abdrehen der Energie rasch: "Zwei Drittel der Sperrungen werden am gleichen Tag wieder aufgehoben, die übrigen innerhalb von wenigen Tagen", berichtet Slowik. Verbraucherschützer und Konzerne raten, im Fall von Zahlungsschwierigkeiten nicht einfach abzuwarten. Slowik empfiehlt Betroffenen, persönlich ins Kundencenter zu kommen. Dort suche man nach individuellen Lösungen wie Ratenzahlungen. Auch die RWE räumen die Möglichkeit ein, Rechnungen nach und nach zu zahlen, wie Pressesprecher Rolf Lorig sagt. "Die Vereinbarung der Ratenzahlung ist jedoch immer eine Einzelfallentscheidung, die unter Berücksichtigung der bisherigen Zahlungsmoral des Kunden getroffen wird." Für Haushalte, die mehrfach mit Zahlungsschwierigkeiten auffielen, haben die Stadtwerke ein besonderes System eingeführt: "Rund ein Viertel dieser Kunden wurde mit Chipkartenzählern ausgestattet", berichtet Slowik. Nach Bedarf lade der Kunde sein Guthaben auf den Chipkarten auf. Wie bei einem Prepaid-Handy sehe er, welche Kosten angefallen seien und wie viel Geld ihm noch zur Verfügung stehe. Der Heizölhändler aus dem Westerwald ist mit seiner unorthodoxen Problemlösung übrigens nicht durchgekommen: Das Amtsgericht Westerburg hat ihm wegen schweren Diebstahls eine Geldstrafe von 10 500 Euro aufgebrummt.

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