Gewerbe Mehrweg statt Einweg – auch bei Windeln?

Trier · Ein Besuch in Neuseeland hat ein Paar dazu inspiriert, eine Windelfirma zu gründen. Jetzt mieten sie das Gebäude des Schreibwarengroßhandels Papier Franzen.

 Erik und Michelle Kasper haben 2012 einen Online-Handel mit Stoffwindeln eröffnet. Ihr Geschäft mit Versandlager eröffnen sie bald in der Niederkircher Straße neu.

Erik und Michelle Kasper haben 2012 einen Online-Handel mit Stoffwindeln eröffnet. Ihr Geschäft mit Versandlager eröffnen sie bald in der Niederkircher Straße neu.

Foto: TV/Kasper

Da wo früher hohe Regale voller Ordner, Dekorationsartikel, Stoffe und vor allem Papier die langen Gänge säumten, werden bald Babytragetücher, Kinderkleidung und vor allem bunte Stoffwindeln verkauft. Denn in der Niederkircher Straße 12 im Gewerbegebiet Trier-Euren hat eine neue Firma das Gebäude von Papier Franzen gemietet. Der Papiergroßhandel schließt am 30. Juni (Infobox).

Das neue Geschäft: „Unser Kerngeschäft ist der Onlinehandel mit nachhaltigen Babyartikeln“, sagt Erik Kasper, der Geschäftsführer der Firma Minzze GmbH.

Die Inhaberin ist seine Frau Michelle Kasper. Gemeinsam betreiben die beiden seit 2016 auch ein kleines Geschäft in der Schönbornstraße. Unter dem Namen „Natürlich Familie“ verkaufen sie dort ihre Stoffwindeln. „Von 2012 bis 2016 waren wir ein reiner Onlinehandel“, erzählt Erik Kasper.  Da sie aber immer wieder Anfragen von Kunden aus der Region erhalten hätten, die sich die Waren lieber in Echt ansehen wollten, hätten sie sich dazu entschlossen, ein Geschäft zu eröffnen. Ihr Onlinegeschäft wachse derweilen konstant weiter, so dass sie nun mehr Platz benötigten. Das sei der Grund für ihren Umzug in die Niederkircher Straße. Das Versandlager und das Geschäft würden beide dorthin verlegt. Da sie noch nicht genau wüssten, wann die nötigen Umbaumaßnahmen fertig würden, gebe es noch kein festes Datum für die Wiedereröffnung. Angepeilt sei aber der August. Die Kaspers haben drei Kinder und sind beide 37 Jahre alt. Erik Kasper stammt aus der belgischen Eifel und zog aufgrund seines Studiums 2007 nach Trier. Seine Frau kommt ursprünglich aus Neuseeland und wanderte 2010 von Dubai aus nach Deutschland ein. In Dubai war sie Journalistin für ein internationales Kommunikationsmagazin.

 Michelle Kasper berät in ihrem Geschäft, wie Stoffwindeln funktionieren. Ihr Geschäft mit Versandlager eröffnen sie und ihr Mann bald in der Niederkircher Straße neu. 

Michelle Kasper berät in ihrem Geschäft, wie Stoffwindeln funktionieren. Ihr Geschäft mit Versandlager eröffnen sie und ihr Mann bald in der Niederkircher Straße neu. 

Foto: tv/Katharina Fäßler

Die Idee: Die Idee mit den Stoffwindeln sei ihnen gekommen, als sie 2011 mit ihrer ersten Tochter in Neuseeland die Familie besuchten. Dort hätten sie zum ersten Mal Stoffwindeln in einem Babyladen gesehen. Da Michelle Kasper damals vor allem Mutter war und Deutsch lernte, habe sie sich stärker mit dem Thema beschäftigt. So hätten sie 2012 eher nebenbei begonnen, den Onlinehandel StoffyWelt.de aufzubauen. Erik Kasper erinnert sich noch, wie sich die Kisten mit den Waren in der Küche gestapelt hätten. Da sie mit den Windeln allein kein Konzept für einen Laden hätten aufbauen können, seien Tragehilfen ihr zweites Standbein im Sortiment geworden.

Heute sei ihr Ziel, konstant weiterzuwachsen. In den neuen Räumlichkeiten wolle man das Sortiment erweitern und bei Bedarf auch Mitarbeiter einstellen. „Wir gehen von drei bis fünf neuen Angestellten in den kommenden zwölf Monaten aus“, sagt Erik Kasper. Zurzeit seien sie 19 Leute, davon zehn in Vollzeit und neun in Teilzeit oder auf Minijob-Basis angestellt.

Der Hintergrund: Stoffwindeln kennt der ein oder andere vielleicht noch als gewickelte Mulltücher, über die Woll- oder Gummiüberhöschen gezogen wurden. Seit 1973 gab es in Westdeutschland alternativ die Einwegwindel. Sie versprach komfortable Sauberkeit. Nun geht ein Trend also zurück zum Mehrweg. Die Stoffwindeln der Kaspers haben Einlagen. Diese werden entsorgt oder im Waschbecken ausgespült, nachdem ihr Inhalt ins Klo geschüttelt wurde. Die Windeln, ihre atmungsaktiven Überwindeln und die ausgewaschenen Einlagen werden in der Waschmaschine gereinigt. Das mag unappetitlich und aufwendig klingen.

Ein Paket Stoffwindeln ist außerdem deutlich teurer als ein Paket Einwegwindeln. Die Kaspers rechnen aber detailliert vor, dass die Nutzung ihrer Produkte günstiger sei, als drei Jahre lang Einwegwindeln zu kaufen. Denn meistens seien ihre Stoffwindeln aufgrund von Druckknöpfen „mitwachsend“, bis das Kind sie nicht mehr brauche, und auch bei Geschwisterkindern wiederverwendbar. Die Produkte seien nicht alle aus biologischer Baumwolle oder fair produziert, dafür aber immer langlebig. Michelle Kasper kennt viele der Herstellerinnen persönlich von der jährlichen Kind- und Jugendmesse in Köln und besucht diesen Monat eine Frau und deren kleine Fabrik in Tschechien. Sie sagt: „Es ist eine schöne Community, und wir haben alle die gleiche Leidenschaft.“

Die Umwelt: Die Kaspers erklären, es sei umweltfreundlicher und hygienischer, Windeln wiederholt mit warmem Wasser zu waschen, nachdem man den Inhalt mitsamt kompostierbaren Einlagen ins Klo entsorgt habe. Denn um eine Wegwerfwindel zu produzieren, müssten erst die Rohstoffe abgebaut, behandelt und zur Windelfabrik transportiert werden. Gerade die Herstellung der Windel in der Fabrik verbrauche sehr viel Wasser. Dann müsse sie noch zum Kunden gefahren und anschließend wieder entsorgt werden. Bei der Fertigung und bei der Entsorgung durch Verbrennung entstünden zusätzlich Giftstoffe. „Dieser ganze Prozess mit allen nötigen Ressourcen steht in keinem Verhältnis zu einer Ladung Wäsche“, findet Erik Kasper.

Das Geschäftsmodell: Zum Geschäftsmodell gehört auch Beratung und Aufklärung auf der Webseite, über Youtube und im Geschäft. In der Gegend hätten sie direkt keine Mitbewerber außer den bestehenden Babyläden, mit denen sich das Sortiment teilweise decke. Online gibt es in Deutschland weitere Händler, die auf Stoffwindeln spezialisiert sind. Die Minzze GmbH der Kaspers gehöre zu den drei größten. Die Kaspers  wünschen sich, dass die Mehrfachverwendung von Produkten gesellschaftlich wieder zur Normalität wird.

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