Opfer mit dem Täter unter einem Dach

TRIER. Der Trierer Frauennotruf blickt auf ein erfolgreiches Jahr 2002 zurück. Eine stabile Personallage ermöglichte verstärkte Beratungen. Mit zahlreichen Aktionen sensibilisierte der Verein die Öffentlichkeit für das Thema "Sexuelle Gewalt". Die regionale Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wurde ausgebaut.

Keinen Grund zu klagen hatte der "Notruf für vergewaltigte und von sexueller Gewalt bedrohte Frauen und Mädchen e. V." im Jahr 2002. Mit durchgehend kompletter Besetzung konnten die Mitarbeiterinnen im Vergleich zum Vorjahr wieder verstärkt beraten. Die Statistik vermeldet 321 Kontakte zwischen Mitarbeiterinnen und Betroffenen. Darunter waren 110 Frauen, die sich zum ersten Mal an den Notruf wandten. Mehrmaligen Kontakt mit dem Notruf hatten 42 Klientinnen, mit denen insgesamt 159 Beratungsgespräche stattfanden. Die meisten Frauen beendeten die Beratung nach höchstens fünf Gesprächen - zum Teil, weil sie die Konfrontation mit dem eigenen Gewalterlebnis als zu schmerzhaft empfanden. Wie in den Vorjahren riefen die Betroffenen in mehr als der Hälfte der Fälle selbst an. Erhöht hat sich der Anteil der anrufenden Mitarbeiterinnen sozialer Einrichtungen oder Behörden wie Polizei und Staatsanwaltschaft: 27 Prozent gegenüber 16 Prozent im Vorjahr. Auch die Altersstruktur der Klientel hat sich verändert. Hatten in den Vorjahren hauptsächlich Frauen zwischen 20 und 30 Jahren angerufen, so waren es im vergangenen Jahr vor allem die 31- bis 40-Jährigen. Die häufigsten Ursachen für die Kontaktaufnahme waren Vergewaltigung (35 Anrufende) und sexueller Missbrauch in der Kindheit (28 Anrufende). Die Täter waren überwiegend dem Opfer bekannt - also Lebenspartner, Familienangehöriger oder Bekannter. Neben den Beratungen hat der Notruf im vergangenen Jahr sein Selbsthilfe-Angebot ausgebaut: Im Selbsthilfe-Café finden seit vorigem Jahr kulturelle Veranstaltungen und ein offener Gesprächskreis statt. Damit sollen die betroffenen Frauen noch mehr Möglichkeiten erhalten, im geschützten Rahmen über ihre Gewalterfahrung zu sprechen und die Tabuisierung des Themas aufzuheben.Informationen über sexuelle Gewalt

Dieses Anliegen stand auch bei der Öffentlichkeitsarbeit zum wiederholten Mal im Vordergrund: In zahlreichen Aktionen, wie die Brot-Tüten-Kampagne "Vergewaltigung kommt nicht in die Tüte" oder die Straßenaktionen an Unterführungen, Parkbänken und in der Fußgängerzone (der TV berichtete), verbreiteten die Notruf-Frauen Informationen über sexuelle Gewalt, um das Thema ins Gespräch zu bringen. Derselbe Gedanke stand hinter der Notruf-Ausstellung "Tabuzone", die nach zwei Jahren Deutschland-Tour im vergangenen Jahr nach Trier zurückkam und zusammen mit einer Dokumentation im Forum der Volkshochschule präsentiert wurde. Ein wichtiger Schwerpunkt 2002 war für Notruf die Arbeit im Rahmen des "Rheinland-Pfälzischen Interventionsprojekts gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen" (RIGG). Der Notruf nimmt teil an einem Runden Tisch in Trier, bei dem Behörden, Beratungsstellen, Medizin, Polizei und Justiz vertreten sind. Für den Herbst plant der Notruf Maßnahmen zur Gewalt-Prävention in Schulklassen. Außerdem soll die Ausstellung "Ausdruck" mit kreativen Arbeiten betroffener Frauen in einer Galerie in der Trierer Innenstadt gezeigt werden. Notrufnummer des Frauennotrufs: 0651/19740; Beratungszeiten montags bis freitags von 10 bis 12 Uhr und donnerstags von 18 bis 20 Uhr.

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