Pädagogik darf keine Rolle spielen

TRIER. Anders als für Gymnasien und Realschulen gibt es bei Grundschulen keine Wahlfreiheit. Grundsätzlich müssen Kinder die Grundschule besuchen, in deren Schulbezirk sie wohnen. Es sei denn, die Eltern beantragen den Besuch einer anderen Schule - mitunter mit vorgeschobenen Gründen.

Die Gerüchteküche brodelt bei dem Elterntreffen im Kindergarten. Die Grundschule im benachbarten Stadtteil sei "viel besser" als die grundsätzlich zuständige Schule gleich um die Ecke. Ein paar Eltern entschließen sich, für eine erhoffte Qualitätsverbesserung ihren Kindern einen längeren Schulweg zuzumuten. Bis vor einigen Jahren musste in so einem Fall ein Antrag an die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) gestellt werden. Denn nur die Trierer Waldorfschule und die Bistumsschulen in Trier und Bitburg sind Wahlschulen. "Früher handelte die ADD bei Behandlung der Anträge restriktiver als heute", bestätigt der Referatsleiter für Grund-, Haupt- und Regionalschulen, Bernhard Herbrand. Mittlerweile entscheiden die beiden betroffenen Schulleiter einvernehmlich über einen Antrag. Er wird in den meisten Fällen im Sinne der Eltern entschieden, insbesondere, wenn nachschulische Betreuungsmöglichkeiten wie die einer Tagesmutter als Gründe genannt werden. Schlechte Karten haben hingegen die Antragsteller, die aus rein pädagogischen Gründen eine bestimmte Grundschule bevorzugen - diese Gründe würden allein für sich zur Ablehnung des Antrags führen. Denn pädagogische Gründe als "wichtigen Grund" im Sinne des Paragraphen 50 Absatz zwei des rheinland-pfälzischen Schulgesetzes gelten zu lassen, könnte mit einer allmählichen Aufweichung der Schulgrenzen einher gehen. "Es gibt ein sozial unterschiedliches Klima an den verschiedenen Schulen", sagt Herbrand. "Das steht aber mit der unterrichtlichen Arbeit in keinem Zusammenhang." Für den Schulrat hat die Schulbezirksfestlegung neben der Planungssicherheit unter anderem den Sinn, soziale Kontakte im unmittelbaren Umfeld des Kindes zu ermöglichen. "Jedes Kind ist dankbar für jeden Kilometer, den es nicht fahren muss." Wem dienen dann die vom Kultusministerium geforderten Qualitätsprogramme und Profile, die die Grundschulen seit dem Sommer des letzten Jahres erstellen sollen? "Eine Wettbewerbssituation ist immer förderlich", findet Herbrand. Allerdings müssten dann klare unterschiedliche Profile vorhanden sein. Die Qualitätsprogramme hätten hauptsächlich den Bereich der Leseförderung umfasst. Der Grundschulbereich habe in erster Linie die Kernaufgabe, Kulturtechniken und Methodenrepertoire zu vermitteln. Das sieht eine Grundschulleiterin etwas anders, deren Schule mit etlichen Projekten beharrlich an einer Qualitätssteigerung arbeitet. "Wir dürfen ja nicht öffentlich in Konkurrenz zu anderen Schulen treten und auf unsere Qualität hinweisen", sagt sie. Insofern kämen lediglich die Eltern und Kinder in den Genuss der entwickelten Qualitätsprogramme, die ohnehin im Einzugsgebiet der Grundschule liegen. "Es gibt jedoch etliche Eltern, die sich für ihre Kinder eine besondere pädagogische Ausrichtung wünschen. Wenn wir nicht öffentlich darauf hinweisen können und die Leute offiziell ihre Kinder aus pädagogischen Gründen zu uns schicken dürfen, machen die Qualitätsprogramme keinen Sinn", sagt die Grundschulleiterin.

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