Pelé und der Zigeuner

TRIER. Selbst im nordischen Trier hat der in Brasilien als Volkssport populäre Tanz Capoeira begeisterte Anhänger gefunden. In der Tuchfabrik kann man an entsprechenden Workshops teilnehmen.

Aus der Ferne scheint es, als würde eine Gruppe junger Menschen Judo kämpfen. Wenn da nicht die rhythmische südamerikanische Musik, die an Tanz erinnernden Bewegungen und viele lachende Gesichter wären. Etwa 20 Leute trainieren in der Tuchfabrik Capoeira. "Pelezinho", ein Brasilianer, und der Portugiese "Cigano" bringen den Trierer Capoeristas den vor 300 Jahren in den Hafenstädten Rio de Janeiro, Recife und Salvador da Bahia entstandenen afro-brasilianischen Kampftanz näher. Die Namen der beiden sind, wie im Capoeira üblich, an bekannte Personen und Wesen angelehnt, denen sie ähneln. So ist "Pelezinho" (von Pelé), der über ein Schulprogramm in Brasilien zum Capoeira kam, ein guter Fußballer. Und "Cigano" ähnelt einem Zigeuner. Die Stunde beginnt mit dem Aufwärmen, das aus verschiedenen Bewegungen und Formationen besteht. Viele Workshopteilnehmer sind durch Neugier auf den Sport aufmerksam geworden - Katrin, eine Trierer Studentin, etwa durch tanzende Capoeristas in der Stadt. "Es ist etwas völlig Neues und hat mich sofort interessiert", schwärmt sie. Viele der Teilnehmer fühlen sich vor allem davon angesprochen, dass der Sport, der sich aus verschiedenen afrikanischen Tänzen und Kulten zusammensetzt, den ganzen Körper beansprucht. Allerdings steht, wie die beiden "Instructores" ständig auf Portugiesisch erwähnen, der Geist im Vordergrund. Denn ursprünglich diente Capoeira den Sklaven Brasiliens als eine Möglichkeit, sich ohne Waffen zu verteidigen und als Methode, sich unauffällig im Kämpfen zu üben. Nach dem Aufwärmen stellt sich die Gruppe in den traditionell weißen Anzügen auf. Das Spiel beginnt. Der Tanz, der als körperlicher Dialog der Akteure verstanden wird, findet innerhalb einer so genannten Roda (Menschen-Kreis) statt. Es wird geklatscht und gesungen. Mit traditionellen Instrumenten wie der Berimbau (Musikbogen mit einer Seite), der Atabaque (Trommel) und dem Pandeiro (Tambourin) werden Lieder unterstützt, die von den Capoeristas im Kreis gesungen werden. Innerhalb der Roda stehen sich abwechselnd zwei Personen gegenüber und führen tanzend ein "Spiel" gegeneinander aus. Die Bewegungsabläufe wechseln je nach Rhythmus der Musik ihre Geschwindigkeit. Mit Energie, Schnelligkeit und dem unbedingten Augenkontakt zum Gegenüber versuchen die Capoeiristas, den Bewegungen, die oft aus dem Tierreich stammen, auszuweichen. Dabei kommt es zu gewagten, kreativen und gefährlich anmutenden Szenen. Der "Dialog" ist beendet, wenn jemand aus der Runde einen ausgesteckten Arm zwischen die Kontrahenten streckt. Die Handfläche zeigt dabei auf die Person, mit der der Unterbrechende "spielen" möchte. Bereits nach wenigen Wochen mache man erste Fortschritte, erzählen Teilnehmer des Workshops. Nicht nur, dass man Reaktion, Ausdauer und Schnelligkeit trainiere. Man lerne auch, kreativ mit Frustrationen des Alltags umzugehen und sie abzubauen. Auf die Frage, ob es Verletzungen in dieser Sportart gebe, schüttelt "Cigano" den Kopf. Größere Unfälle sind ihm nicht bekannt. Wen dieser Einblick in die Capoeira, was übrigens zu Deutsch "Hof" bedeutet und als eine Art Spielplatz interpretiert werden kann, neugierig gemacht hat, kann in der Tufa vorbeischauen. Die Kurse finden donnerstags um 20 Uhr und sonntags um 13 Uhr im Ballettsaal statt. Sommer, Urlaub, freie Zeit: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, einmal etwas Neues auszuprobieren. Der TV stellt in loser Folge ausgefallene Sportarten vor, die oft wenig bekannt sind, aber auch in der Region Trier zunehmend Anhänger finden.

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