Picasso-Ideal auf den Punkt gebracht

Mit einer ausdrucksstarken Holzschnitt-Grafik hat Albert Schneiders, der auf dem Schönfelderhof bei Zemmer lebt, den Bundeskunstpreis für Menschen mit einer Behinderung gewonnen. Er wurde ihm in Radolfzell vom dortigen Bürgermeister Jörg Schmidt und Staatssekretär Dietrich Birk im Namen des Schirmherrn Günther Oettinger verliehen.

 Albert Schneiders hat mit einer Holzschnitt-Grafik (Originalplatte im Vordergrund) den Bundeskunstpreis für Menschen mit einer Behinderung gewonnen. Jetzt arbeitet er an einem neuen Kunstwerk. TV-Foto: Anke Emmerling

Albert Schneiders hat mit einer Holzschnitt-Grafik (Originalplatte im Vordergrund) den Bundeskunstpreis für Menschen mit einer Behinderung gewonnen. Jetzt arbeitet er an einem neuen Kunstwerk. TV-Foto: Anke Emmerling

Schönfelderhof. Seit 1978 findet in Radolfzell auf Initiative der Carl-Müller-Mettnau-Stiftung alle zwei Jahre der Wettbewerb um den Bundeskunstpreis für Menschen mit einer Behinderung statt. Unter 300 bis 500 Bewerbern werden nach Auswahl durch eine Fachjury 19 gleichwertige Preise und ein Hauptpreis vergeben. Mit 500 Euro und dem Ankauf des Siegerkunstwerkes durch die Stadt Radolfzell verbunden, ging er in diesem Jahr an den 74-jährigen Albert Schneiders vom Schönfelderhof bei Zemmer. Auch vor zwei Jahren war er unter den Preisträgern und hat außerdem eine ansehnliche Reihe von Ausstellungsbeteiligungen und Ankäufen vorzuweisen. "Er ist unser erfolgreichster Künstler", sagt Rainer Czech von der Beruflichen Reha-Therapie (BRT) in die die Künstlergruppe, in der Albert Schneiders arbeitet, eingebunden ist. Czech hat vor 23 Jahren dessen Talent entdeckt: "Das war beim Malen nach Zahlen, da hat er ein Bild gemacht, das sich überhaupt nicht an den Zahlen orientierte." Es zeigt ein wenig Holzschnitt-Charakter. Czech lehrte Schneiders diese Technik und gab ihm damit ein Ausdrucksmittel, das Korrekturen nicht zulässt und daher den künstlerischen Arbeitsprozess authentisch widerspiegelt. Genau das hat die Kunstpreisjury als beispielhaft herausgehoben, ebenso die individuelle Bildsprache, die zu neuen ästhetischen Erlebnissen verhelfe. "Das Picasso-Wort: ,Ich möchte malen wie die Kinder', hat Albert auf den Punkt gebracht", sagt Rainer Czech dazu. Er verweist auch auf das handwerkliche Geschick Schneiders: "Als ich Kind war, kaufte meine Mutter auf dem Markt präzise geflochtene bunte Osterkörbchen aus Krepppapier, die hatte er gemacht, und stellt sie heute noch her." Vom Krieg geprägte Kindheit in Trier

Die Osterkörbchen sind Teil einer Biografie, die der vieler älterer Klienten des Schönfelderhofs ähnelt. 1933 geboren, hat Schneiders eine vom Krieg geprägte Kindheit in Trier verlebt, was sich im immer wiederkehrenden Motiv des Bomben abwerfenden Flugzeugs seiner ersten Zeichnungen und Radierungen äußert. Er war 17, als seine Eltern starben und man ihn und seine neun Geschwister auf verschiedene Institutionen und Arbeitsstätten verteilte. Ab diesem Zeitpunkt fristete er den größten Teil seines Lebens als Arbeiter in der Landwirtschaft, lebte abgeschottet im Stallgebäude. "Er hatte nie die Möglichkeit, mit Bildung oder Kultur in Berührung zu kommen", sagt Czech, der ihn als in seiner Art kargen, aber humorvollen Menschen charakterisiert. Der Humor blitzt Schneiders bei der Arbeit an einem neuen Holzschnitt tatsächlich aus den Augen. Wieder entsteht sein Lieblingsmotiv "Mensch" in Form einer rohen, etwas schroffen, aber grafisch ausgefeilten Figur mit auffallenden Zähnen. Die könnte schon für den nächsten Wettbewerb sein, meint er, sichtlich angespornt vom Erfolg. "Das hat mir so gut gefallen", schwärmt der Künstler von der Preisverleihung. "Da waren so viele Leute, wie ich noch nie zusammen gesehen habe."

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