Trier. (ae) Sympathisch bescheiden, ohne Starallüren, fast schon introvertiert - das ist der Eindruck, den Peter Stamm vermittelt. Ruhig nimmt er hinter dem Lesetisch Platz, ebenso ruhig, mit allenfalls flüchtigem Blickkontakt zum Publikum beginnt er seine Erzählung "Fremdkörper" zu lesen. Die Art des Vortrags passt zum Inhalt, denn es geht um menschliche Innenwelten, um das Psychogramm einer Entwicklung. Ein Höhlenforscher hält einen Diavortrag, im Anschluss drängt sich ihm ein Pärchen auf, dessen Hobby Höhlenexpeditionen sind. Mit einer Sprache, die mit Präzision und Schnörkellosigkeit atmosphärisch dichte Bilder erzeugt und es sich deshalb leisten kann, nicht alles bis ins kleinste Detail auszusprechen, zeichnet Stamm nach, wie diese Begegnung den Protagonisten mit der Herausforderung Nähe und dem Trauma Angst konfrontiert, bis er einen entscheidenden Schritt macht. Ebenso wie in der folgenden Geschichte "Der Brief" um eine Frau, die Jahre nach dem Tod ihres Mannes entdeckt, dass er sie betrogen hat, lässt Stamm den (positiven) Entwicklungen Zeit. Einfühlsam, aber ohne zu dramatisieren erzählt er von Konflikten um Beziehung und Beziehungslosigkeit. Weil das alles ganz unspektakulär daherkommt, weil nicht Helden, sondern ganz normale Menschen in Momentaufnahmen ganz alltäglicher Situationen beschrieben werden, gibt es viele Identifikationsmöglichkeiten. Nicht umsonst ist das Publikum gebannt. Und nicht umsonst ist Peter Stamm seit Erscheinen seines ersten Romans "Agnes" (1998) mit Preisen und Lob, auch von Kritikerpapst Reich-Ranicki überschüttet worden.