"Politik macht man nicht mit den Füßen"

EHRANG. Sie wurde "an einem Sonntag, direkt nach dem Hochamt, in einem Haus hinter der Pfarrkirche St. Peter geboren", schmunzelt Ingeborg Sahler-Fesel. Dass sie ein Sonntagskind ist, hat sich spätestens bei der Landtagswahl am 26. März bestätigt. An diesem Tag nämlich zog die Ehranger SPD-Politikerin überraschend auf Platz 53 der Landesliste in den Landtag ein.

 Die Ehrangerin Ingeborg Sahler-Fesel wurde am 26. März in den Landtag gewählt. In den ersten Fraktionssitzungen im Mainz sei sie mit großer Offenheit und Freundlichkeit aufgenommen worden. Foto: Gabriela Böhm

Die Ehrangerin Ingeborg Sahler-Fesel wurde am 26. März in den Landtag gewählt. In den ersten Fraktionssitzungen im Mainz sei sie mit großer Offenheit und Freundlichkeit aufgenommen worden. Foto: Gabriela Böhm

Ein mehrere hundert Jahre altes Haus in der Niederstraße 27. Darin ein Schreibtisch, der provisorisch noch im Wohnraum untergebracht ist und sich den Platz mit einem Kaninchen und zahllosen Modellautos teilt - eine Sammelleidenschaft von Günter Fesel, den Ingeborg Sahler-Fesel vor sechs Jahren heiratete. Noch ist dem Heim von Ingeborg Sahler-Fesel auf den ersten Blick nicht anzusehen, welche tiefgreifenden Veränderungen der 26. März für die 50-Jährige und ihre Familie gebracht hat. "Das war nicht zu erwarten, in meinen kühnsten Träumen habe ich nicht daran gedacht", berichtet Sahler-Fesel von ihrem Überraschungssieg. "Jetzt habe ich die Chance, mit zu diskutieren und etwas bewegen zu können", freut sich die Ehrangerin. Unkonventionell und individuell tritt Sahler-Fesel in Erscheinung. Im Ort kennt man sie sommers wie winters nur in gemütlichen Jeans, Pulli und Sandalen, in denen sie vorzugsweise mit nackten Füßen geht. Früher war die engagierte Bürgerin am liebsten barfuss unterwegs. Mit einer Kondition, die ihr das Gehen durch glühende Kohlen, auf einem Nagelbrett und durch Glasscherben bei einem Sommerfest erlaubte, erzählt sie lachend. Schon als junge Frau engagierte sich Sahler-Fesel, war im Stadtjugendring und in der Katholischen Jugend, arbeitete mit an der Gestaltung der Satzung der Arbeitsgemeinschaft Frieden, in der sie den OB-Kandidaten Klaus Jensen als "verlässlichen und konsequenten Menschen" kennen lernte. Ein Germanistik- und Philologiestudium brach sie ab - ihre Arbeit als Ausbilderin im Bundesverband für den Selbstschutz hatte zu viel Zeit verschlungen. Durch ihre Kenntnisse rutschte sie in den Arbeitersamariterbund hinein, den sie viele Jahre leitete, dort den sozialen Hilfsdienst organisierte und als Ausbilderin im Sanitätsdienst arbeitete. Engagement im Kindergarten, in der Ehranger Grundschule und im Förderverein, in dem sie noch heute Mitglied ist. Seit 1994 ist die Mutter von zwei Töchtern im Ortsbeirat, seit 1999 im Stadtrat. Ihr Wahlerfolg habe ihr eine Ummenge an beglückwünschenden Telefonanrufen, E-Mails und Briefen beschert, sagt Sahler-Fesel berührt. Neben der Erwartung, dass "ich was bringe", habe es in den Briefen auch stets gelautet: "Bleib wie Du bist. Verbrenne Dir lieber öfter mal den Mund, als Dich anzugleichen!" Folgerichtig hat die leidenschaftliche Sportschützin ("Am liebsten Westernschießen mit Winchester, Hut, Lederweste und vielen Fransen") in ihrem Wahlkreis 24 die Entwicklung der Region im Auge. Dazu gehören die Straßenanbindung und die Entwicklung des Mühlengeländes und der Umgehungsstraße. Ob sich ihre Vorliebe für nackte Füße im Laufe ihrer politischen Arbeit ändern wird? Sicherlich werde sie sich schon bestimmten Situationen anpassen, räumt Sahler-Fesel ein. Um gleich klar zu stellen: "Ich selbst werde mich nicht verändern. Schließlich macht man Politik nicht mit den Füßen, sondern mit dem Kopf!"

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