"Polizisten brauchen eine Armlänge Abstand"

Wittlich/Trier · In ihren Heimatländern haben Migranten teils schlimme Erfahrungen mit Polizeiwillkür gemacht. In Deutschland vermissen sie öfter eine Gleichbehandlung mit Einheimischen. Deutsche Polizisten haben teils Vorurteile gegenüber Menschen anderer Kulturen und wissen zu wenig, um sie zu verstehen. Das Projekt "10+10" bringt beide an einen Tisch.

Wittlich/Trier. "Allein seit meinem 16. Lebensjahr bin ich in Trier schon neunmal von der Polizei kontrolliert worden", sagte der 18-jährige Migrant aus Palästina, Hilal Khalife, der mit seiner Familie seit 1992 in Trier lebt. Generell habe er aber nichts gegen die Polizei und hätte noch keine schlechten Erfahrungen mit Polizisten gemacht.
Neben ihm sitzen noch neun weitere Migranten unterschiedlicher Herkunft und zehn Polizisten der Polizeidirektion Trier gegenüber, um sich im Projekt "10+10" kennenzulernen und besser gegenseitig zu verstehen. Das gleiche geschah in der Polizeidirektion Wittlich.
In drei Gesprächsrunden von je drei Stunden trafen sich die Migranten und Polizisten im Trierer Rathaus, um mehr voneinander zu erfahren. Nach der Abschlusspräsentation, auf der beide Gruppen die Ergebnisse der Aktion vorstellten, sagte Khalife: "Ich wusste vor den Gesprächen mit den Polizisten gar nicht, dass es einen Unterschied zwischen Polizei und Bundespolizei gibt, die am Bahnhof auch schon des Öfteren meinen Ausweis verlangt hat." Sein Klassenkamerad Yacine Guedri mit algerischen Wurzeln hat während des Projekts ebenso neue Einblicke in die Polizei gewonnen: "Mir war vorher nicht bekannt, dass es Polizisten nicht wohl ist, wenn sich Migranten in ihrer Gegenwart in einer fremden Sprache unterhalten. Dann denken die, man hätte etwas zu verheimlichen." Auch der Körperkontakt und die heftigen Gesten der arabischen Kultur seien den deutschen Polizisten unlieb. "Polizisten brauchen immer eine Armlänge Abstand zur Eigensicherung. Das kann ich verstehen."
Das Fremdbild hat sich auch bei dem Trierer Polizisten Marc Powierski, Jugendbeauftragter der Polizeidirektion Trier, etwas gewandelt: "Wenn bei denen im Heimatland die Polizei eintrifft, dann ist das oftmals wie ein Erdbeben." Das erkläre ihm, weshalb Migranten häufig ungeheure Angst vor dem Kontakt mit der Polizei hätten, sagte Powierski.
Triers Polizeipräsident Lothar Schömann verspricht sich von dem Projekt, das Bild der Polizei in den Köpfen vieler Migranten positiv zu verändern. Spiegelbildlich sollen aber ebenso die Polizisten ihre Erfahrungen aus den Gesprächsrunden in Unterhaltungen mit Kollegen weiter tragen. Damit sollen sie innerhalb der Polizei dazu beitragen, Vorurteile gegenüber Migranten abzubauen. Unter die Gäste der Abschlusspräsentation des Projekts mischte sich auch Roger Lewentz, Minister des Innern, für Sport und Infrastruktur des Landes, um sich über die Aktion "10+10" zu informieren. "Das Projekt könnte Schule machen, sagte Lewentz , "das bringt jeder Polizeiinspektion im Land etwas." Oberbürgermeister Klaus Jensen informierte sich auf der Präsentation im Rathaus ebenfalls über die Ergebnisse. "Ich finde die Idee der Begegnung gut. Es gibt viele Begründungen für ein Projekt, das für mehr gegenseitiges Verständnis zwischen Polizisten und Migranten sorgt", sagte Jensen, "Redebedarf gibt es auf beiden Seiten."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort