Leichtsinnig Explosionen ausgelöst Jugendliche Sprengstoffdiebe verurteilt (Update)

Trier · Vier junge Männer sind zum Teil mehrfach in ein Bergwerk eingebrochen und haben explosives Material gestohlen. Bei Probezündungen hatten sie riesiges Glück, dass niemand verletzt wurde. Im Prozess zeigen sie Reue.

 Das Urteil gegen die Sprengstoffdiebe ist am ersten Prozesstag gefallen.

Das Urteil gegen die Sprengstoffdiebe ist am ersten Prozesstag gefallen.

Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Auf einer Leinwand im Verhandlungssaal des Jugendschöffengerichts Trier läuft ein Film. Er zeigt eine Explosion. In extremer Zeitlupe wird ein Holzschrank zerfetzt. Splitter bersten dutzende Meter auseinander, zum Teil fliegen sie aus dem Bereich der Kamera der Sprengstoffexperten vom Landeskriminalamt (LKA) heraus. Diese haben im Ermittlungsverfahren gegen vier junge Männer getestet, welche Auswirkungen der Sprengstoff hat, von dem drei der vier Angeklagten insgesamt 50 Kilogramm aus einem Stollen der Trierer Kalk-, Dolomit- und Zementwerke (TKDZ) in Wellen gestohlen haben. „Im militärischen Bereich werden viel geringere Sprengstoffmengen genutzt, um Menschen zu töten“, lautet ein Fazit des Expertengutachtens. Ein 19-Jähriger und seine drei 22-jährigen Mittäter sehen beeindruckt aus, als Richterin Lisa Winterholler nach dem Video sagt: „Das ist wie im Krieg.“


Urteil
Alle Angeklagten gestehen die ihnen zur Last gelegten Taten unterschiedlicher Schwere. Ins Gefängnis muss keiner von ihnen. Die beiden Haupttäter sollen vier Sprengexperimente gemacht haben. Sie waren zum Zeitpunkt des ersten Einbruchs ins Bergwerk Ende 2017 nur 17  und  21 Jahre alt. Deshalb  werden sie zu Jugendstrafen von einem Jahr und neun Monaten sowie einem Jahr verurteilt. Der 22-Jährige spricht von einer an „Leichtsinn nicht zu überbietenden Tat“. Der 19-Jährige war vorbestraft wegen Körperverletzung und wird härter bestraft. Beide sind aber zumindest vorerst auf freiem Fuß (siehe Info). Die beiden anderen Angeklagten werden nach Erwachsenenrecht verurteilt, weil sie 22 Jahre zum Zeitpunkt der ihnen vorgeworfenen Taten waren. Einer von ihnen gesteht die Beteiligung an dem Sprengstoffdiebstahl und bekommt eine Freiheitsstrafe von neun Monaten (zur Bewährung ausgesetzt). Der vierte Täter gesteht zwei Hausfriedensbrüche und bekommt eine Geldstrafe von 44 Tagessätzen à zehn Euro. Diese hat er schon verbüßt, weil er 44 Tage in Untersuchungshaft war. Die Richterin folgt mit dem Urteil dem Antrag von Staatsanwalt Volker Anton, der genauso wie die Verteidiger keine Rechtsmittel einlegen will. Damit ist das Urteil rechtskräftig.


Taten Gemeinsam sind der 19-Jährige und die drei 22-Jährigen zwischen Ende 2017 und Ende 2018 zum Teil mehrfach – einer von ihnen sogar elf Mal – ins Bergwerk der TKDZ eingedrungen. Unter Tage haben die vier jungen Männer mit luxemburgischen Wurzeln Arbeitsfahrzeuge bewegt. Drei der Angeklagten haben Lampen, Werkzeuge und den gefährlichen Sprengstoff gestohlen. Dazu haben sie unter anderem mehrere Tresore geöffnet oder aufgebrochen. Zudem wurde ein Tor beschädigt. Die Anklagepunkte reichen von Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung über besonders schweren Diebstahl samt Sprengstoffdiebstahl bis zum Umgang mit gefährlichen Stoffen und Herbeiführung einer Explosion.  Die beiden jüngsten Angeklagten sollen bei einem Sprengversuch auf offenem Feld bei Grevenmacher (Luxemburg) das Leben einer jungen Frau gefährdet haben.

Motive Erkenntnisse über die Motive liefert die Aussage eines nach Erwachsenenstrafrecht verurteilten 22-jährigen Elektrotechnik-Studenten. Er hat im Gegensatz zu seinen Mitangeklagten, die alle Ausbildungen abgebrochen haben, ein Abitur und ist auf dem Weg zu einem guten Job. Vor Gericht zeigt er sich geläutert – vor allem durch die 22-tägige Untersuchungshaft im Februar. Er erzählt, dass die vier Männer aus Luxemburg und dem Kreis Trier-Saarburg die Vorliebe für verlassene Orte (Lost Places) verbunden habe. Wegen des Kicks, das Unbekannte zu entdecken, seien sie zusammen in den Stollen eingedrungen. Allerdings lief es aus dem Ruder: Die Tür zur Werkstatt sei offen gewesen. Dort hätten sie einen Schlüssel gefunden. Der führte sie ins Büro und zu einem kleinen Tresor, in dem weitere Schlüssel gelegen hätten. Schließlich sei man auf den Sprengstoff gestoßen. Genau wie die anderen sagt er: „Ich habe mir nichts dabei gedacht.“

Wie wenig Unrechtsbewusstsein zum Zeitpunkt der Tat vorhanden war,  zeigt eine während der Ermittlungen sichergestellte „Story“, die der Student in einem Online-Speicher abgelegt hatte. Darin vergleicht er  den Stollen mit einem Verlies im Computerspiel Minecraft, einem Ort, den man ausbeuten kann. Über den Sprengstoffdiebstahl schreibt er: „Wenn wir Terroristen wären, wäre das ein easy game (einfaches Spiel) gewesen. Es wären Menschenleben in Gefahr gewesen.“

Ein halbes Jahr danach sagt er: „Es tut mir so leid, wie ich das beschrieben habe.“ Er entschuldigt sich bei allen Geschädigten, vor allem bei den Bewohnern von Igel, die nach Ansicht der Experten durch den dort unsachgemäß gelagerten Sprengstoff in Gefahr gebracht worden sind. Auch für den Großeinsatz im Januar, den die Verbandsgemeinde Trier-Land laut Rechtsanwalt Andreas Ammer seinem Mandanten mit 12 000 Euro in Rechnung stellt, entschuldigt sich der Student. Richterin Winterholler und die Verteidiger betonen, wie dumm die Taten waren. Alle im Saal sind sich in einem weiteren Punkt einig, den Verteidiger Ammer zusammenfasst: „Das hat nichts mit Lost Places zu tun, die man so verlässt, wie man sie aufsucht. Das hier sind lost people in working places (verlorene Menschen in Arbeitsstätten).“

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