Puppen, Krüge und Trikots

Sie putzt das Klo am Hauptmarkt, damit Gäste auch auf dem stillen Örtchen einen guten Eindruck von der Stadt haben. Er achtet in der Basilika darauf, dass nicht Touristen in Badekleidung die Andacht stören. Hunderte von Trierern arbeiten gerade in den Sommermonaten jeden Tag dafür, Tausenden von Gästen einen schönen Urlaub zu ermöglichen. Ihnen widmet der TV eine Serie. Heute im Porträt: Souvenirverkäuferin Luise Raltschitsch.

 Luise Raltschitsch verkauft Souvenirs an der Nordwestseite der Gangolfkirche. TV-Foto: Tamara Breitbach

Luise Raltschitsch verkauft Souvenirs an der Nordwestseite der Gangolfkirche. TV-Foto: Tamara Breitbach

Trier. Zwischen Hauptmarkt und Pranger liegt eine der urtümlichsten Stellen des noch wahrnehmbaren mittelalterlichen Trier. An der Nordwestseite der Marktkirche St. Gangolf verkaufen zwei rüstige Frauen allerlei typisch deutsche Kostbarkeiten. Neben Biedermeierpuppen stehen Bierkrüge, die Triers Wahrzeichen Porta Nigra tragen. Auch Postkarten, Teller, Holzschnitzereien, Fingerhüte, Zinnfiguren und sogar Schwarzwälder Kuckucksuhren bietet der Souvenirladen an. Auf das Sortiment angesprochen, meint Luise Raltschitsch pragmatisch: "Wir verkaufen alles, was deutsch ist. Danach fragen die Touristen." Und es stimmt. Deutschland-Trikots findet man hier nicht nur zur Fußball-WM. Ein wenig stolz sagt Luise Raltschitsch: "Ich verkaufe immer noch Exemplare des Weltmeister-Trikots von 1990." Auch Mützen und Leinentaschen mit der Porta Nigra bietet der Laden feil.

Nur Karl Marx, den berühmtesten Sohn Triers, sucht man hier vergeblich. "Da gehen Sie besser ins Karl-Marx-Haus in der Brückenstraße. Die kennen sich damit besser aus", weiß Luise Raltschitsch Rat. Deshalb kämen auch selten Chinesen zu ihr zum Souvenirkauf, eher Niederländer, Russen und Amerikaner. "Sie kaufen meistens Bierkrüge, weil Bier eben typisch deutsch ist."

Echte Stammkunden gibt es nicht



Auf die Frage nach Stammkunden, die immer wieder mit ihren Gästen zum kleinen Laden hinter der Kirche kommen, antwortet Luise Raltschitsch, dass es schon Menschen gebe, die sie beim zweiten oder dritten Besuch wiedererkenne - besonders russische Touristen - aber echte Stammkunden seien das nicht. Die würden eher nebenan jeden Morgen ihre Zeitung kaufen. "Ja, den Volksfreund auch", meint sie augenzwinkernd. Seit ungefähr 600 Jahren wird an der Rückseite der Gangolfkirche Handel getrieben. Da in Trier der Domfreihof nicht für den Handel freigegeben war, haben sich Händler, die ihren Gott trotzdem um Unterstützung für gute Geschäfte bitten wollten, mit der Gangolfkirche ein eigenes Gotteshaus gebaut. Sehr zum Nachteil des Doms. Haben die Händler im "Gädemcher" (siehe Extra) doch einen Großteil ihres Umsatzes mit Devotionalien wie Kreuzen, Marienkästchen, Rosenkränzen und Petrus-Darstellungen gemacht. "Heute spielt das keine Rolle mehr", ergänzt Luise Raltschitsch und bedient zwei amerikanische Touristen, die einen Bierkrug kaufen möchten. will/cdr

Extra Die Herkunft des Worts "Gädemcher": Die eingeschossigen Läden haben ihren Trierer Namen "Gädemcher" aus dem mittelhochdeutschen Wort Gadem oder Gaden, was soviel wie kleines Nebengebäude oder Scheune mit Kleinsthandel bedeutet. Oft befinden sich die Läden in der Nähe einer Kirche, wie sie zum Beispiel beim Mainzer Dom bezeugt sind. (tab)

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