Rätselhafte römische Hinterlassenschaften auf altem Brauerei-Logistikgelände an der Olewiger Straße entdeckt

Trier · Wenn Archäologen in Trier antike Hinterlassenschaften ausgraben, wissen sie hinterher oft mehr über die römische Stadt als vorher. Die Grabungen des Landesmuseums auf dem ehemaligen Karlsberg-Gelände hingegen werfen ganz neue Fragen auf. Entdeckt wurden Überreste einer Wasserleitung, die im späten vierten Jahrhundert über eine Schuttdeponie Richtung Kaiserthermen führte.

Der Name des Neubauprojekts "Wohnresidenz an den Kaiserthermen" verspricht zumindest unter stadtgeschichtlichen Gesichtspunkten nicht zu viel. Das 6300 Quadratmeter große Baugrundstück auf dem früheren Königsbacher- und Karlsberg-Logistikgelände an der Olewiger Straße befindet sich nur einen Steinwurf vom Unesco-Weltererbe-Monument entfernt. Dazwischen verlaufen Bahngleise sowie die Fahrbahnen von Ost- und Weimarer Allee.
Entsprechend groß waren im Vorfeld die Erwartungen der Archäologen des Rheinischen Landesmuseums, die das Areal seit März untersucht haben.Regierungsviertel der Römer


Jetzt ist die Grabung zu Ende, die damit verbundenen Untersuchungen sind es aber noch lange nicht. Stadtarchäologe Joachim Hupe, der gemeinsam mit Markus Thiel die Grabungen geleitet hat, spricht von "Funden, die uns momentan noch Rätsel aufgeben".
Dass das Gelände "tiefgründig gestört" ist, war schon lange klar. Der rund acht Meter unter dem Straßenniveau verlaufende Bahneinschnitt wurde in den Jahren 1874/79 angelegt, und 1880 wurde die Privatbrauerei Überle gebaut. Mehrere Kellererweiterungen sowie 1971/73 der Bau des Verkehrskreisels folgten. Doch schon in der Antike wurde hier in großem Stil Boden bewegt. Vor gut 1700 Jahren füllten die Römer die natürliche Senke mit massenweise Schutt auf - vermutlich Reste der Wohnbebauung, die Platz machen musste für den Bau des neuen Regierungsviertels. Schließlich war Trier, das damals Treveris hieß, frisch zur Kaiserresidenz erkoren worden.
Im Gegensatz etwa zur Konstantinbasilika, dem Thron- und Audienzsaal der Imperatoren, wurden die Kaiserthermen als südlicher Abschluss des Regierungsviertels allerdings nie nach ursprünglichen Plänen vollendet. Mit dem Weggang Konstantins aus Trier (316) kam das gigantische Wellnesszentrum-Bauprojekt zum Stillstand und wurde erst ein halbes Jahrhundert später unter den Kaisern Valentinian und Gratian in stark reduzierter Form realisiert. Möglicherweise als Kaserne für Elitesoldaten.Pfeiler eines Aquädukts


Das, was Hupe, Thiel und ihr Team entdeckt haben, wirft möglicherweise ein neues Licht auf diese Interpretation. Sie haben ein - durchaus erwartetes - Fundament eines Aquäduktpfeilers freigelegt. Der Unterbau der Wasserleitung, die genau auf die Kaiserthermen zuführt, stammt aber nicht aus der konstantinischen Badeanlagen-Phase, sondern ist deutlich jünger. Hupe: "Wir gehen von einem Bau um das Jahr 370 aus."
Eingetieft ist das Fundament in Bauschuttschichten mit spätantikem Material. Der Pfeiler, der einst darauf stand, könnte zehn Meter hoch gewesen sein. Er dürfte üblicherweise Teil einer Pfeilerreihe gewesen sein, die im konkreten Fall eine gemauerte Wasserleitung von etwas weniger als einem Meter Durchmesser getragen hat.
Hupe sagt zwar: "Wir kennen den Zielpunkt nicht." Doch einiges deutet darauf hin, dass er in Zusammenhang mit den Kaiserthermen steht, wohlgemerkt deren zweiter Phase. Diente er der Versorgung von Soldaten mit Trink- und sogar Badewasser?
Eine Antwort darauf zu finden dürfte späteren Wissenschaftler-Generationen vorbehalten bleiben. Die Grabungen des Landesmuseums reichten - analog zum Bauprojekt - nur bis in eine Tiefe von drei bis vier Metern. Römische Hinterlassenschaften dürften aber noch weitere vier Meter tiefer zu finden sein.
Das Rätsel des zweiten spektakulären Funds kann möglicherweise schon bald gelöst werden. Unweit vom Pfeiler entdeckten die Archäologen zwei Gräber. Sollten die nun anstehenden Radiokarbonuntersuchungen (C14-Methode zur Altersbestimmung) die Vermutung Hupes bestätigen, dass es sich um frühmittelalterliche Bestattungen handelt, wäre das ein echter Knüller, zumal bislang keine Siedlungen aus dieser Epoche in unmittelbarer Nähe bekannt sind.
Die Skelette wurden geborgen, das Pfeilerfundament verbleibt, konserviert und mit Schotter überdeckt, an Ort und Stelle. Hupe: "Es liegt erfreulicherweise knapp außerhalb der Bebauung, die jetzt entsteht." (siehe Extra)Extra

 Das ehemalige Karlsberg-Gelände an Olewiger- und Charlottenstraße in Trier. Hier haben Archäologen das Fundament eines spätantiken Aquäduktpfeilers gefunden. Am rechten Bildrand das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium (oben) und der Kaiserthermen-Kreisel. TV-Foto: Portaflug Föhren

Das ehemalige Karlsberg-Gelände an Olewiger- und Charlottenstraße in Trier. Hier haben Archäologen das Fundament eines spätantiken Aquäduktpfeilers gefunden. Am rechten Bildrand das Friedrich-Wilhelm-Gymnasium (oben) und der Kaiserthermen-Kreisel. TV-Foto: Portaflug Föhren

Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"

Auf dem ehemaligen Karlsberg-Gelände an den Kaiserthermen in Trier sind vier Wohnhäuser vorgesehen, die sich zwischen Bahndamm, Olewiger- und Charlottenstraße um einen Innenhof gruppieren. Die beiden Gebäude an der Charlotten- und Olewiger Straße sollen vier Vollgeschosse und ein versetztes Staffelgeschoss haben, die beiden gegenüber den Kaiserthermen jeweils ein Vollgeschoss weniger. In drei Häusern entstehen Studentenappartements, das vierte wird ein Mehrfamilienwohnhaus. Die Zufahrt zu den insgesamt 60 Wohnungen erfolgt ausschließlich über die Charlottenstraße. Geparkt wird in einer Tiefgarage mit über 100 Stellplätzen. Das Projekt der Firmen Beda Regiebau GmbH und Wirtz Massivhaus GmbH (beide Trier) hat ein geschätztes Investitionsvolumen von rund 17 Millionen Euro. rm.

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