Rätselhaftes aus aller Munde

TRIER. (daj) Mehr als 160 Menschen aus verschiedenen Ländern treffen sich derzeit in Trier. Sie unterhalten sich auf Esperanto, einer Sprache, die vor 120 Jahren als Mittel zur internationalen Verständigung erfunden wurde.

"Felichan novan jaron" - ein glückliches neues Jahr! Gleichzeitig unbekannt und doch irgendwie vertraut klingt, was auf den Fluren des Trierer Jugendgästehauses zu hören ist. Wer in der Schule Englisch, Französisch oder Latein gelernt hat, wird immer wieder einzelne Wörter verstehen können. Dennoch bleibt die Sprache rätselhaft.Kommunikationsmittel vom Reißbrett

Esperanto heißt, was hier gesprochen wird. Anders als andere Sprachen hat sich Esperanto nicht auf natürliche Weise entwickelt, sondern wurde am Reißbrett konstruiert. Erfinder ist Ludwik Zamenhof, der im Jahr 1887 erstmals in einer Broschüre die Grundzüge seiner Plansprache vorstellte. Sein Gedanke war es, für die internationale Kommunikation eine leicht erlernbare Sprache mit einfachen Regeln zu schaffen. Auf breiter Front hat sich Esperanto nie durchsetzen können, Angaben über Sprecherzahlen variieren stark, realistisch erscheint eine Zahl von nicht mehr als 500 000. Aus Spaß an der Sprache

In Trier jedoch wird dieser Tage die ursprüngliche Idee mit Leben erfüllt. Menschen aus Russland, Frankreich oder Deutschland unterhalten sich miteinander, auch Kinder sind darunter. Die elfjährige Klára aus Luxemburg hat einen ungarischen Vater und eine französische Mutter. "Als wir noch in den Niederlanden wohnten, haben meine Eltern untereinander meist Esperanto gesprochen", erzählt sie. Klára beherrscht Esperanto zwar fließend, ihre Muttersprache ist dennoch Französisch. Gemeinsam mit den Geschwistern Jean-Thierry und Noémi aus der Bretagne bastelt sie nun kleine Puppen aus Stoffresten unter Anleitung der beiden Russinnen Tamara und Svetlana. Die internationale Sprache erweist sich dabei als hilfreich. "Heute lernen Menschen Esperanto, weil es ihnen Spaß macht", sagt Claudia Hamelbeck aus Bonn. "Die Zeit des Verfassens politischer Resolutionen ist vorbei." An der vorherrschenden Stellung des Englischen in der internationalen Wirtschaft und Politik ist ohnehin so schnell nicht zu rütteln. Als Vorzüge des Esperanto preist Hamelbeck jedoch das Fehlen unregelmäßiger Formen, die Möglichkeit, aus wenigen Grundwörtern neue Vokabeln abzuleiten, und die einfache Schreibweise, die sich an der Aussprache orientiert. So paradox es klingt, eine der größten Gefahren für Esperanto wäre sein Erfolg. Je mehr eine Sprache in Gebrauch ist, desto stärker verändert sie sich, bildet Unregelmäßigkeiten oder verschiedene Dialekte heraus. "Man darf es nicht zu weit auseinander gehen lassen", ist sich auch Claudia Hamelbeck bewusst. Die relativ überschaubare und einheitliche Sprechergemeinschaft bewahrt Esperanto derzeit vor einer solchen Entwicklung. Doch um solche Probleme geht es beim Esperanto-Treffen nur am Rande. Im Mittelpunkt steht der Austausch mit Gleichgesinnten. Und manchmal gelingt dabei auch Völkerverständigung in ihrer schönsten Form: Wieland Pusch und seine bulgarische Frau Daniela beispielsweise haben sich vor zwölf Jahren auf einem solchen Treffen kennen und lieben gelernt.

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