Rasante Fahrt auf der Noten-Achterbahn

Trier · Die Wette gilt: Was da am Freitag im Casino am Kornmarkt spielte, war "Triers Next Topband". Die Professoren, unter dem Signet "Cabaret Rock" angetreten, trieben das 200 Köpfe zählende Publikum in eine fast deliriumartige Begeisterung.

 Die Professoren im Casino am Kornmarkt: Pianist Sebastian Matz, Sängerin Julia Reidenbach, Theaterschauspieler Michael Ophelders und Bassist Tom Rüdell (von links). TV-Foto: Friedemann Vetter

Die Professoren im Casino am Kornmarkt: Pianist Sebastian Matz, Sängerin Julia Reidenbach, Theaterschauspieler Michael Ophelders und Bassist Tom Rüdell (von links). TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Was wäre, wenn der Familie Popolski sich nicht dem internationalen Pop verschrieben hätte, sondern dem deutschen Schlager der 1920er Jahre? Dann wäre etwas herausgekommen, was gar nicht so weit von den Trierer Professoren entfernt liegt. Herrlich originelle Versionen allseits bekannter Klassiker, geniale Arrangements, gegen den Strich gebürstete Hits, und das alles verbunden durch eine dadaistisch-schräge Geschichte.
Die Professoren, das ist eine siebenköpfige Combo um Theaterschauspieler Michael Ophelders und den Pianisten und musikalischen Leiter Sebastian Matz. Schon der Auftakt zeigt, wo\'s langgeht: "Ausgerechnet Bananen" als Reminiszenz an das Trio von "Trio", gerappte "Capri-Fischer", "Falco meets Tango" - eine rasende Fahrt auf der Noten-Achterbahn durch Genres und Stilrichtungen. Veronika trifft nicht nur den Lenz, sondern auch "My Sharona", und Sharonika tanzt am Ende noch den "Mambo Nr. 5".
Rauschhafte Überraschungen


Hat sich da nicht gerade zwischendurch irgendwo Udo Jürgens bedankt? Liefen da nicht eben die Beatles über die Abbey Road? Wollte Jackson Browne nicht noch ein bisschen bleiben? Irgendwann gibt man die Ambition, alle musikalischen Anspielungen zu erkennen, auf - in diesem Wettrennen hat der schnellste Hase keine Chance gegen das Raffinement des Igels in Gestalt von Arrangeur Sebastian Matz.
Bevor ein falscher Eindruck aufkommt: Beim "Cabaret-Rock" der Professoren liegt die Betonung auf dem zweiten Wort. Die Chose ist hochintelligent, aber nicht intellektuell. Es geht laut und schmutzig zur Sache, Fans von Ophelders\' filigranen Revuen sollten die Ohrstöpsel nicht vergessen. Das Tempo ist stramm, die Rhythmuswechsel sind atemberaubend schnell und elegant (Drums: Holger Bracht, Bass: Tom Rüdell), das Spiel hat weder Netz noch doppelten Boden.
"Ein Freund, ein guter Freund" wird zum Hardrock-Kracher, "Ich hab\' das Fräulein Helen baden seh\'n" kommt als Rock \'n\' Roll zur Sache. "Hoppla, jetzt komm\' ich" ist im Reggae-Gewand ein Glanzlicht des Abends, und das Publikum lässt dazu vergnügt die von der Bühne gereichten Joints kreisen (Nein, keine Angst, Herr Staatsanwalt Patzak, es roch zwar merkwürdig, soll aber kein THC enthalten haben). Hans Albers hätte sich jedenfalls eine ordentliche Flasche Küstennebel auf diese Version zu Gemüte geführt.
Eine Überraschung jagt die nächste, wer nicht besonders textfest ist, erkennt die Hits oft erst beim Refrain. Die fesche Lola ist so ein Beispiel -, und kaum hat man\'s erkannt, ist sie schon in die Lola der Kinks übergegangen. Der Theo Lingen im Fußballtor lernt im Bananenboot den Day-o von Harry Belafonte kennen, aus jedem Titel holt das Septett (weiter im Aufgebot: Gitarrist Wolle Sing und Trompeter Tommy Schommer) spannende neue Erkenntnisse heraus. Manchmal auch durch Reduzierung, wie beim "Armen Gigolo", der zu einem grandiosen, melancholischen Liedermachersong wird, viel näher an Juliette Gréco als an Marlene Dietrich.
Der Abend ist also ebenso erkenntnisreich wie unterhaltsam - was auch mit dem Front-Duo zu tun hat. Michael Ophelders singt das Gros der Titel, und zwischendurch ringelnatzt und morgensternt er seine augenzwinkernd-abstrusen Geschichten zu den jeweiligen Liedern - gelegentliche Anleihen beim Komiker Piet Klocke nicht ausgeschlossen. Julia Reidenbach gibt die (vorzüglich singende) wissenschaftliche Hilfskraft als eine Art Marlene Jaschke im Business-Outfit (Danke, Gerhard Kress, für den Vergleich).
Ein Abend zum Niederknien, eine - nicht erst am Ende - enthusiastische Masse im Casino. Die Band gehört aufs nächste Altstadtfest, und zwar auf die größte Bühne und zur besten Sendezeit.

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