Ratsmehrheit lässt Stadtvorstand abblitzen

Trier · Mit den Stimmen von fünf Fraktionen hat der Trierer Stadtrat einen Grundsatzbeschluss zur Umwandlung des Zewener Gewerbegebiets BZ 12 in ein sogenanntes Mischgebiet gefasst, wo Wohnen und Gewerbe gleichberechtigt sind. Die Mehrheit stellt sich damit klar gegen den Stadtvorstand.

 Teil des bisherigen Gewerbegebiets Wasserbilliger Straße in Trier-Zewen ist die verwilderte Brachfläche der ehemaligen Steinfabrik. Dort ist ein Wohnprojekt mit mehreren Häusern geplant. TV-Foto: Christian Moeris

Teil des bisherigen Gewerbegebiets Wasserbilliger Straße in Trier-Zewen ist die verwilderte Brachfläche der ehemaligen Steinfabrik. Dort ist ein Wohnprojekt mit mehreren Häusern geplant. TV-Foto: Christian Moeris

Trier. Unerwartet hohe Wellen schlug das Thema Gewerbegebiet/Wohngebiet im Stadtrat (siehe Extra). Dabei hatten sich im Vorfeld gleich vier Fraktionen zusammengetan, um einen gemeinsamen Antrag zu stellen. Ziel der ungewöhnlichen Koalition aus CDU, FWG, FDP und Grünen: Das Gebiet BZ 12 Wasserbilliger Straße soll ein Besonderes Wohngebiet/Mischgebiet werden (der TV berichtete). Dort sind Betriebe zulässig, die das Wohnen nicht wesentlich stören.Etliche Wohnhäuser vorhanden


Udo Köhler (CDU) begründete den Antrag: "Zum einen sind auf dem Gelände bereits zahlreiche Wohnhäuser vorhanden. Zum anderen ist die Fläche aufgrund der topografischen Gegebenheiten und Zufahrtswege nur bedingt attraktiv für eine gewerbliche Nutzung." Eine Interessengemeinschaft aller Grundstückseigentümer und der Ortsbeirat seien für eine Umwandlung.
Rainer Lehnart (SPD) hielt dagegen: "Wir haben uns über den Antrag gewundert, die SPD wurde nicht gefragt." Die Eigentümer spekulierten offenbar darauf, dass die Fläche in Zewen zum Mischgebiet und irgendwann zum Wohngebiet werde und damit der Quadratmeterpreis deutlich steige. "Da es mehrere solche Fälle in Trier gibt, sollten wir die Diskussion um den Flächennutzungsplan abwarten", forderte Lehnart.
Felix Brand (FDP) bestritt ein Übergehen der SPD: "Der Ortsbeirat Zewen hatte sehr wohl Informationen zu dem Thema." Das bekräftigte Ortsvorsteher Helmut Mertesdorf (CDU): "Ich habe alle Fraktionen angeschrieben. Die SPD hat nicht reagiert. Seit 20 Jahren müssen wir mit dem Schandfleck leben, der als Gewerbefläche nicht zu vermarkten ist."
Hans-Willi Triesch (SPD) führt dies darauf zurück, dass die geplante Straßentrasse für den Moselaufstieg an besagtem Gebiet entlanglaufen würde. In Richtung der Moselaufstieg-Befürworter sagte er: "Die ständige Thematisierung dieses Straßenbauprojekts war ein Hemmschuh für die Entwicklung Zewens."
Richard Leuckefeld (Grüne) wies darauf hin, dass es beim Flächennutzungsplan um die Ausweisung neuer Gewerbeflächen gehe, im vorliegenden Fall hingegen um eine bestehende.Dezernentin gegen Umwandlung


Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU) beschwor die Ratsmitglieder, den Status des BZ 12 unverändert zu lassen: "Wir suchen händeringend Flächen. Eine Umwandlung würde auch die Chance nehmen, Arbeitsplätze zu schaffen." Die vorhandenen Wohngebäude seien nach der Einzelfallverordnung zulässig, und die Eigentümer müssten Lärmemissionen eines Gewerbegebiets hinnehmen. Eine Umwandlung in ein Mischgebiet hingegen würde Gewerbe so einschränken, dass es seine Funktion teilweise nicht erfüllen könne.
Dem Antrag der SPD, zunächst die Fortschreibung des Flächennutzungsplans abzuwarten, stimmte nur die SPD zu. Alle übrigen Ratsfraktionen stimmten für den ursprünglichen Antrag: Die Verwaltung wird demnach eine Vorlage zur Umwandlung in ein Besonderes Wohngebiet/Mischgebiet erstellen. Der formale Beschluss folgt dann später.Meinung

Hürden endlich abbauen
Die Umwandlung des Gebiets BZ 12 in Zewen ist schlicht eine Anpassung an die Wirklichkeit. Schon die Ausweisung als Gewerbegebiet 1997 hatte den Geburtsfehler, dass zwei Jahre zuvor mittendrin ein Neun-Familien-Haus gebaut worden war. Seitdem kamen mehrere einzeln genehmigte Wohnhäuser hinzu, so dass sich der typische Charakter eines reinen Gewerbegebiets nie entwickelte. Stattdessen verfiel das große, für Gewerbe nicht vermarktbare Grundstück der ehemaligen Steinfabrik immer mehr und wurde zum Schandfleck für den dörflich geprägten Stadtteil. Genau dort soll betreutes Mehrgenerationenwohnen entstehen - endlich eine vernünftige und konkrete Perspektive. Deshalb sind sich auch alle Eigentümer einig und werden vom Ortsbeirat und Stadtrat unterstützt. Stadtvorstand und SPD tun sich und Trier mit ihrem Festhalten am Status quo keinen Gefallen. Die Zeit ist längst reif, die Hürden für die Entwicklung des Gebiets abzubauen. m.hormes@volksfreund.deExtra

Bei der Diskussion über die Umwandlung des Gewerbegebiets BZ 12 setzten mehrere Redner auf eine bildliche Ausdrucksweise. Rainer Lehnart (SPD): "Die CDU-Fraktion lässt ihre Dezernentin zum wiederholten Mal im Regen stehen." Ulrich Dempfle (CDU): "Wenn wir jemanden im Regen stehen lassen, dann den Wirtschaftsdezernenten, und damit habe ich kein Problem. Die Baudezernentin ist bei Regen gut eingepackt." WirtschaftsdezernentThomas Egger (parteilos, zur CDU-Fraktion gewandt): "Sie lassen Ihre eigene Wählerklientel im Regen stehen." Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU): "Ich habe zwei Herzen. Eines gehört der CDU, eines der Sachlichkeit und dem Fachwissen. In diesem Fall ist das Herz der Sachlichkeit größer." cus

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