Redselige Bahn

Die angeblich so unbewegliche Deutsche Bahn ist doch immer noch für eine Überraschung gut. Irgend jemand muss den obersten Lokführern unlängst geflüstert haben, dass sich Bahnkunden über nichts mehr ärgern, als wenn ein Zug plötzlich minutenlang stehen bleibt und der Schaffner zu den Gründen auch nicht mehr sagen kann als der vor sich hin dösende Sitznachbar.

Das mit dem ahnungslosen Zugbegleiter war gestern. Mittlerweile gibt es in den Schnellzügen bei ungeplanten Stopps so viele Erklärungen, dass einem der Wortschwall fast schon wieder zu viel wird. Etwa neulich auf dem Weg von Trier nach Hamburg. Schon kurz hinter dem Umsteigebahnhof Koblenz bleibt der Intercity das erste Mal stehen. "Sehr geehrte Fahrgäste", schallt es umgehend aus den Lautsprechern, "wegen eines roten Signals müssen wir an dieser Stelle anhalten. Es wird in Kürze weitergehen." Und schon nimmt der IC wieder Fahrt auf. Bis er kurz vor Köln wieder abbremst. "Sehr geehrte Fahrgäste", tönt es sogleich aus den Boxen, "wir haben angehalten, weil wir auf die Freigabe eines Gleises im Kölner Bahnhof warten. Es geht in Kürze weiter." Und schon zuckelt der Schnellzug wieder los. Ich will nicht übertreiben: Aber bis Hamburg hat sich dieses Prozedere noch etwa 20-mal wiederholt. Den mit etwa zehn Minuten längsten Stopp gab's bei Osnabrück. "Spielende Kinder auf den Gleisen", lautete die prompt gelieferte Erklärung. Als Entschädigung wurde den mehreren hundert Insassen sogar noch ein Gratisgetränk im Bord-Bistro angeboten - "für die Unannehmlichkeiten", wie es hieß. Wir sind in Hamburg schließlich mit einer guten halben Stunde Verspätung angekommen. Zumindest in diesem Punkt ist die Deutsche Bahn trotz aller Neuerungen die alte geblieben. Rolf Seydewitz In der Kolumne "Guten Morgen" beschreiben wechselnde Autoren ihre Gedanken zum Tag.

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