Reichlich Konsens, manche Widerhaken

Trier · Volles Haus bei einer Grundsatzdiskussion über Bildungspolitik: Das gibt es nicht alle Tage. Die renommierte Berliner Soziologie-Professorin Jutta Allmendinger lockte zum Auftakt der Veranstaltungsreihe des Forums Neue Bildung 150 Besucher ins Kurfürstliche Palais - und bot ihrem Publikum auch Überraschungen.

Trier. Es war vor allem interessierte Fachöffentlichkeit aus den Schulen, die sich - ausgerechnet - in der guten Stube der Schulaufsichtsbehörde ADD versammelt hatte, um der Päpstin der Schulreform zu lauschen. Ein Titel, der zwar die Rolle der Berliner Wissenschaftlerin und Autorin ganz treffend beschreibt, zu ihrer differenzierten und eher unideologischen Argumentations- und Vortragsweise aber nicht so recht passen will.
Allmendingers Credo: Unsere Kinder sollen länger gemeinsam unterrichtet werden, und das Schulsystem muss daran arbeiten, bestehende Ungleichgewichte nicht zu zementieren, sondern abzubauen - vor allem zugunsten der Schwächeren. Davon profitieren auch die stärkeren Schüler - dafür sieht die 56-Jährige alle wissenschaftlichen Erkenntnisse und internationalen Erfahrungen auf ihrer Seite. Nur: Das in jahrzehntelangen Grabenkämpfen erstarrte deutsche Bildungssystem sei nicht in der Lage, diese Erkenntnis umzusetzen.
Beim Saalpublikum, darunter viele Aktivisten und Initiativler für neue Schulformen aus der Region, rennt Allmendinger, Mutter eines 18-jährigen Sohnes, offene Türen ein. Geduldig hat man eine Flut von Gruß-, Übergangs- und wechselseitigen Dankesworten über sich ergehen lassen, wie man sie sonst eher von den an gleicher Stelle stattfindenden karnevalistischen Ordensfesten kennt. Und zum Ausgleich spannende Rockmusik mit der Band Felafrai von der Bitburger Förderschule St. Martin genossen.
Nicht Everybody\'s Darling


Aber Allmendinger ist nicht gekommen, um Everybody\'s Darling zu spielen. Was sie zur Finanzierung eines besseren Bildungssystems sagt ("Wir geben viel aus für Bildung, aber an den falschen Stellen"), liegt nicht immer auf der Linie der Gruppen, die sich im Forum Neue Bildung zusammengeschlossen haben. Statt einfach nur mehr Geld ins System zu pumpen, schlägt sie vor, umzuverteilen: mehr Mittel für die frühe Bildung, weniger für die weiterführenden Schulen. Zusätzliche Gelder für die Schulbildung will sie durch eine Art Studiengebühr hereinholen, erhoben in Form einer nachträglichen Extra-Steuer für Akademiker. Es sei "nicht zumutbar, dass Leute, die wir mit wenig Bildung versorgen, denjenigen das Studium finanzieren, die dadurch nachher die besseren Chancen haben".
Da grummelt der mitveranstaltende Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Klaus-Peter Hammer, angesichts solcher Vorschläge "rollen sich mir die Fußnägel auf". Er meint es nicht böse, aber auch keineswegs witzig.
Doch Allmendinger bleibt unbeirrt bei ihrem Kurs: Systemreformen ja, mehr Geld ja - aber nicht als erste Schritte. Wichtiger sei es, Lehrer aus- und weiterzubilden, die sich Ideen wie Inklusion und Gerechtigkeit zu eigen machten. Breiter Konsens dann wieder bei ihrem abschließenden Appell: Die neuen Bildungsideen aufgeschlossenen Akteure in Politik, Schule, Verwaltung und Initiativen sollten sich nicht wechselseitig das mangelnde Reform-tempo vorhalten, sondern an einem Strang ziehen und sich effektiv vernetzen. DiL
Prof. Allmendinger wird am 13. September in Trier den Eröffnungsvortrag zur Weiterbildungsmesse halten. Dann soll es stärker um nichtschulische Aspekte der Bildungspolitik gehen.

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