Rockmusik statt Mitleid

Die Band "Mary Greenwood" macht seit elf Jahren Musik als integrative Band mit behinderten und nicht behinderten Mitgliedern. Ende des Monats spielt sie beim "Museums Open Air" mit Stoppok und Götz Widmann - Höhepunkt einer unerwarteten Erfolgsgeschichte.

Wittlich. "Manchmal möchte ich jemandem sagen: ,Kneif' mich mal!'", staunt Udo Bohn. Grund für den befürchteten Realitätsverlust des Krankenpflegers ist der derzeitige Rummel um die von ihm mitbegründete Band "Mary Greenwood", eine Rockband, die aus behinderten und nicht behinderten Musikern besteht. Seit elf Jahren begeistert die bunte Truppe längst nicht mehr "nur" etwa die Besucher des Lott-Festivals um die Ecke, sondern hat mittlerweile Festivals in der ganzen Republik bespielt. Nun hat auch noch ein Filmteam die Band porträtiert und der Auftritt mit Stoppok und dem Liedermacher Götz Widmann beim Konzer "Museums Open Air" steht als nächster Höhepunkt auf dem Programm. Dabei hätte Bohn bei der Gründung nie gedacht, dass die Band überhaupt auf Dauer existieren würde. "Das war damals wirklich nur als einmalige Sache gedacht", sagt er.

Damals, das war 1997 in "Maria Grünewald", einer Einrichtung für Menschen mit geistigen Behinderungen in Wittlich. Zum 25. Jahrestag der Gründung sollte jeder Bereich der Einrichtung einen Beitrag zu einer Feier gestalten. Bohn war damals Zivildienstler im Haus und schlug vor, Rockmusik zu machen. Eine ungewöhnliche Idee mit Vorbildern: Schon 1988 formierte sich mit "Station 17" eine Band aus behinderten und nicht behinderten Musikern, die bis heute besteht.

Bohns Bruder Jörg war auch Mitarbeiter in Maria Grünewald und setzte sich hinter das Schlagzeug. Dann suchte man sich noch Gitarristen, Bassisten und Keyboarder, die den Klangteppich auslegten, auf dem die musikbegeisterten Bewohner sich austoben konnten. Auch heute setzen die behinderten Musiker mit ihren kreativen Impulsen nicht nur Akzente, sondern bestimmen das Geschehen ganz aktiv mit: Tobias Jank beispielsweise als Perkussionist auf der Bühne - und als Texter im Vorfeld. Denn längst spielt die Band keine Cover von Rockklassikern mehr, sondern spielt eigene Songs: Oft selbstbewusste Statements der Nonkonformität: In "Wir sind anders" heißt es "Es ist uns egal - Wir leben unser Leben - Es ist keine Qual".

"Wir wollten einfach mal ein anderes Bild von Behinderten vermitteln", erinnert sich Bohn. "Die werden von vielen immer noch aufs Leiden reduziert, dabei sind das oft ganz fröhliche Menschen mit wenigen Hemmungen, die ordentlich abrocken können." Und wie: Die engagierten Auftritte der 17 Musiker atmen durch ihren wilden, rotzigen Charme mehr Rock'n'Roll als die so mancher obercooler, aber doch nur durchchoreographierter Stars.

"Mary Greenwood" hört man sich nicht aus Mitleid an, sondern weil sie einfach Spaß haben - und ihr Publikum damit mitreißen.

Beim Konzert mit Stoppok treffen die "Greenwoods" keinen Unbekannten: Schon zweimal sind sie mit dem Hamburger Musiker bei integrativen Festivals aufgetreten. Und apropos Hamburg: Die ebenfalls aus dem hohen Norden stammende Band "Station 17" kommt im November für ein gemeinsames Konzert in die Trierer Tufa.

EXTRA



Das Open-Air-Festival im Freilichtmuseum Roscheider Hof in Konz: Am Freitag, 29. August, treten Beverly Jo Scott und Carl Wyatt auf. Einlass ist 18.30 Uhr, das Konzert beginnt eine Stunde später. Stoppok + Band, Götz Widmann sowie Mary Greenwood stehen am Samstag, 30. August, auf der Bühne. An diesem Abend öffnen sich die Tore um 19.30 Uhr - eine Stunde, bevor das Konzert startet. Tickets gibt es für beide Veranstaltungstage in den TV-Service-Centern Trier, Bitburg und Wittlich. Studenten und Schüler erhalten eine Ermäßigung.

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