Römerbrücken-Nikolaus knietief in den Mosel-Fluten

Früher war alles viel besser? Von wegen. Der harte Winter 2009 ist regelrecht mild im Vergleich zu dem von 1709. Und das Hochwasser im Winter vor 225 Jahren toppte alle späteren Fluten, sagt Historiker und Forscher Adolf Neyses (80).

Trier. Temperaturmessungen gibt es erst seit gut 130 Jahren. Wie kalt der Winter 1709 war, lässt sich nicht in Celsius-Graden bestimmen. Doch die Auswirkungen waren verheerend. In ganz Europa starben Hunderte Menschen an Kälte, Tausenden erfroren Nasen, Ohren, Hände oder Füße.

"In diesem schrecklichen Winter fror die Mosel viermal zu, das letzte Mal Mitte Mai", berichtet Adolf Neyses (80). Der Diplom-Ingenieur und frühere Landesmuseums-Mitarbeiter (Grabungsleiter in St. Maximin) hat intensive Archiv-Forschungen betrieben und ist auf Klima-Auswirkungen gestoßen, die den aktuellen Winter geradezu als mild und harmlos erscheinen lassen. Anfang Januar 1709 stiegen die Moselfluten bis in die Stadt hinein. Dort wurden sie zu Eis. Die Menschen wussten sich kaum zu schützen, denn überall erstarrte Flüssiges.

Nach drei Wochen begann es zu regnen, drei Tage später brach die fast einen Meter dicke Eisdecke der Mosel unter donnerndem Krachen. Dabei wurden Schiffe und ufernahe Häuser zerstört. Es folgten lang anhaltende Schneefälle, abgelöst von neuerlichem Moseleis und Hochwasser Nummer zwei ("bis zum sechsten Haus in der Krahnenstraße"). Ende Februar überzog zum dritten Mal eine Eisdecke die Mosel. Besonders schlimm traf die Frostperiode im Mai die Menschen: "Was die Kälte bisher an Saaten, Bäumen und Weinbergen noch verschont hatte, richtete dieser letzte Frost restlos zugrunde", vermerkt Gottfried Kentenich (1873-1939) in seiner 1915 erschienenen Trier-Chronik. Die Weizenpreise stiegen in astronomische Höhen, und "aus Luxemburg und den angrenzenden Ländern zog eine große Menge Bettler nach Trier".

Im Sommer litt ganz Europa unter Dürre und Hungersnot.

Auch der Winter vor 225 Jahren traf Trier hart. Anfang 1784 lag der Schnee weit über einen halben Meter hoch in der Stadt. Weil deshalb kaum Brennholz geliefert werden konnte, griff die Bevölkerung zur Selbsthilfe. In Scharen zogen die Leute in die Wälder und fällten dort überwiegend junge Bäume. Der Magistrat reagierte mit drastischen Strafen: Unerlaubtes Abholzen ahndete er mit Haft oder Zwangsarbeit im Hafen, wo das Eis aufgehauen werden musste. Das am 21. Februar einsetzende Tauwetter brachte die nächste Katastrophe: Eine Woche später stand die Nikolaus-Statue am Kreuz auf der Römerbrücke "bis an die Knie" in der Mosel - und Trier unter Wasser.

Die Flut übertraf das "Jahrhundert-Hochwasser" von 1993 (Pegelhöchststand: 11,28 Meter) um mehr als einen Meter. "Sie hätte auch den in den späten 1920er Jahren gebauten Schutzdamm zwischen Zurlauben und Trier-Süd überflutet", sagt Adolf Neyses, der sich intensiv mit dem Thema Mosel-Hochwasser beschäftigt hat. Demnächst veröffentlicht er eine wissenschaftliche Arbeit über die um 150 n. Chr. errichtete Römerbrücke in ihrer ursprünglichen Form.

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