Soziales Ein Silberstreif, wenn die Not am größten ist

Trier · Der Rotary Club Trier-Porta unterstützt Menschen, die sich in finanziell schwieriger Lage befinden.

  Was tun, wenn das Geld hinten und vorne nicht reicht? Diese Frage stellen sich vor allem viele ältere Frauen und Männer mit kleinen und kleinsten Einkommen.

Was tun, wenn das Geld hinten und vorne nicht reicht? Diese Frage stellen sich vor allem viele ältere Frauen und Männer mit kleinen und kleinsten Einkommen.

Foto: Rolf Lorig

Seit fast zehn Jahren unterstützt der Rotary Club „Trier-Porta“ mit der Aktion „Silberstreif“ Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben und deren Versorgung kaum für das Nötigste ausreicht.

Auch in Trier gibt es Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Eine genaue Zahl kann Michael Schmitz, Sprecher der Stadtverwaltung Trier, nicht nennen: „Verdeckte Armut bedeutet ja eben, dass die Menschen gerade nicht bei uns bekannt sind, weil sie womöglich keine Sozialleistungen beantragen – aus welchen Gründen auch immer.“

Bekannt sind dagegen die Zahlen für die Armutsgefährdung. Dazu Hans-Werner Meyer, Leiter des Trierer Amts für Soziales und Wohnen: „53 Prozent der Erwerbslosen, 45 Prozent der Alleinerziehenden, 34 Prozent der Ausländer, 35 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund und 27 Prozent der Menschen mit geringer Qualifikation.“

2012 war der Trierer Mediziner Michael Graf Präsident des Rotary Clubs Trier-Porta. In seinem Amtsjahr rief er die Aktion „Silberstreif“ ins Leben. „Wir sehen hier vor allem ältere Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben. Sie fordern nicht laut Hilfe ein, sondern erdulden ihre materielle Not.“ Für Graf und die übrigen Rotarier war klar, dass man hier tätig werden müsse, um die Würde älterer Mitbürger zu bewahren – gemäß dem rotarischen Prinzip der generationenübergreifenden Solidarität.

Doch wie geht man an das Thema heran? Gerade weil viele Menschen sich still ihrem Schicksal ergeben haben, leben sie unter dem Radar. Wichtige Ansprechpartner für die Rotarier sind deshalb Sozialdienste und kirchliche Funktionsträger. Franz-Rudolf Junge ist einer davon. Als Diakon betreut er die Pfarreiengemeinschaft Heiligkreuz Trier, die auch den Stadtteil Mariahof umfasst. Besonders dort gebe es viele ältere Menschen, die auf Hilfe angewiesen seien, sagt der Diakon. Wenn es gar zu eng würde, „dann kommen sie in ihrer Not auch damit zur Kirche.“ Junge betreut dieses Gebiet hauptberuflich im 24. Jahr, kennt die hier lebenden Menschen und weiß echte von vorgetäuschter Not zu unterscheiden. So wie im Fall der Mutter, die bei ihm vorstellig wurde. Ihre Waschmaschine war kaputt, eine Reparatur wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll. Ein Leben ohne Waschmaschine? Bei mehreren Kindern unvorstellbar. Jedoch ließ die finanzielle Situation der Familie keinen Neukauf zu. Was tun?

Bei Menschen, die sich noch im erwerbsfähigen Alter befinden, ist in diesem Fall das Jobcenter der erste Ansprechpartner. Tamara Schneider vom Jobcenter Trier: „Wir prüfen ganz individuell, ob und wie wir hier tätig werden können. Die Anschaffung von Haushaltsgeräten über das Jobcenter ist prinzipiell möglich. Dies fällt unter die Einmaligen Leistungen und betrifft die Erstausstattung beim Bezug einer Wohnung. Gehen Gerätschaften kaputt, kann ein zinsfreies Darlehen vom Jobcenter gewährt werden.“

Im konkreten Fall aber gab das Gesetz keinen Handlungsspielraum. Eine missliche Situation, die auch die Rotarier bei ihrer Prüfung erkannten. Zwar haben sie bei „Silberstreif“ ihren Fokus auf die ältere Bevölkerung gelegt. Wenn sich aber Menschen in einer echten Notsituation befinden, will und kann man sich dem nicht verschließen. Weshalb der hilfesuchenden Frau und ihrer Familie auch geholfen wurde.

Einen anderen Fall schildert Susanne Idems vom Bürgerhaus Trier-Nord. Sie berichtet von einer älteren Dame, die im Bürgerhaus regelmäßig die Angebote der Seniorenbetreuung nutzt. Die Frau lebt und versorgt sich komplett alleine. „Eines Tages war es dann so weit, dass diese Dame ‚Essen auf Rädern‘ für sich in Anspruch nehmen musste, weil die Mühen des täglichen Kochens dann doch zu groß wurden. Da ihr die Portionen zu groß waren, wollte sie die Bestellungen reduzieren und die Hälfte des Essens für andere Tage einfrieren. Allerdings hatte sie keine Gefriertruhe und fragte bei uns an, ob wir ihr vielleicht mit einem gebrauchten Gerät helfen könnten“, erinnert sich die Sozialarbeiterin. Da hier ebenfalls die Bedürftigkeit gegeben war, halfen die Rotarier auch in diesem Fall.

In den knapp zehn Jahren hat der Rotary Club Trier-Porta so mit rund 35 000 Euro Menschen aus ihren Notlagen geholfen. So wie bei einem älteren behinderten Ehepaar, das auf Mariahof lebt und über kein Auto verfügt: „Diese Menschen sind gehbehindert und hatten noch nicht einmal genügend Geld, um sich verbilligte Bus-Jahreskarten zu kaufen. Die brauchen sie aber, um zum Arzt zu fahren oder ihre Einkäufe zu tätigen“, berichtet Franz Rudolf Junge.

Wie versteckte Armut aussieht, zeigt sich oft nur zufällig. Bei der Übergabe eines Gegenstandes wollte Andrea Graf-Varadi, Ehefrau von Michael Graf, die Identität der Empfängerin überprüfen und bat um den Personalausweis. „Der sei aber schon lange abgelaufen, das Geld für einen neuen habe sie nicht,“ habe ihr die Frau gesagt. Auch in diesem Fall machten die Rotarier Nägel mit Köpfen: Kurzerhand fuhr Andrea Graf-Varadi mit der Frau zum Fotografen und danach zum Bürgeramt, um dort ein neues Ausweisdokument zu beantragen.

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