Schlaglöcher und Staus im Fokus

Trier · Zum ersten Mal entscheiden die Trierer mit, woraus sich der Haushaltsplan ihrer Stadt zusammensetzt. Gestern endete die zweite Beteiligungsphase am Bürgerhaushalt. Jetzt geht es darum, die mehr als 400 Vorschläge zu bewerten und dem Stadtrat zu zeigen, welche besonders wichtig sind.

Die Beschäftigung mit einem Haushaltsplan bereitet oft schon einem engagierten Kommunalpolitiker Schmerzen, meist blicken nur die Kämmerer wirklich durch. Wer in keinem Gemeinde- oder Stadtrat sitzt, steigt oft gar nicht erst in die Materie ein. Das soll sich ändern: Ende März beschloss der Stadtrat die Einführung des Bürgerhaushalts.

Übers Internet ( www.buergerhaushalt-trier.de) oder in einer von 22 Anlaufstellen in den Trierer Stadtteilen konnten Interessierte in zwei Phasen ihre Ideen präsentieren (der TV berichtete mehrfach): Wo kann die Stadt sparen? Wie kann sie ihre Einnahmen erhöhen? Und vor allem: Worin sollte sie investieren?

1250 aktive Teilnehmer am Projekt Bürgerhaushalt

856 Trierer nutzten in der ersten Beteiligungsphase von 15. Juni bis zum 15. Juli die Chance, Vorschläge und Projekte aus dem Bürgergutachten ihres Stadtteils einzustufen. Die Notenskala, mit der die Projekte bewertet wurden, reichte dabei von einem bis zu maximal fünf Sternen. Insgesamt wurden im Internet 17.193 Einzelbewertungen abgegeben. Aus jedem der 19 Trierer Stadtteile wurden die Vorschläge mit der im Durchschnitt besten Bewertung - insgesamt 102 - in die zweite Beteiligungsphase eingebracht, die am 23. September begann und gestern endete. Außerdem konnten die Teilnehmer in der zweiten Phase auch eigene Vorschläge einbringen, wo gespart und wo investiert werden sollte.

Toni Loosen-Bach koordiniert den Bürgerhaushalt im Rathaus Trier. "Die Beteiligung der Bürger in beiden Phasen ist hoch", betont er im Gespräch mit dem TV. Trier habe mittlerweile 1250 registrierte und aktive Teilnehmer am Projekt Bürgerhaushalt, "und täglich kommen neue dazu". Zum Vergleich: In Hamburg sind es nur 550.

Heute beginnt die Bewertungsphase, quasi die Trierer Haushalts-Hitparade. Mehr als 400 Vorschläge stehen zur Auswahl, darunter die 102 aus der ersten Phase. Toni Loosen-Bach: "Jetzt geht es darum, die Bedeutung der einzelnen Vorschläge aus Sicht der Bürger darzulegen. Rat und Verwaltung sehen so, was den Trierern besonders wichtig ist."

Diese Frage ist allerdings bereits jetzt klar beantwortet, denn die zweite Beteiligungsphase hatte einen klaren Schwerpunkt. Mit 51 Prozent befasst sich die absolute Mehrheit der nicht auf den Bürgergutachten beruhenden Anregungen der Trierer mit dem Thema "Straßen und Verkehr". Die Holperpisten und Blechlawinen der Römerstadt prägen den Bürgerhaushalt. "Dabei fällt auf, dass die Vorschläge nicht losgelöst von jeglicher Realität präsentiert werden", sagt Loosen-Bach. "Die Teilnehmer zeigen, dass sie sich der katastrophalen Haushaltslage in Trier bewusst sind. Das ist nicht selbstverständlich."

Die Sanierung vieler Trierer Holperpisten von der Loeb- und der Luxemburger Straße bis zum Ausbau des Radwegenetzes und einer effektiveren Strukturierung der Innenstadtkreisel findet man unter den Vorschlägen der zweiten Phase. Manche Ideen gehen in eine ganz andere Richtung. So regt eine Triererin die "Leih-Oma" an, die einspringt, wenn der Babysitter nicht kann oder Mama und Papa mal übers Wochenende verreisen wollen. Auch an die Finanzierung hat die Teilnehmerin gedacht: "Familien, die diesen Service in Anspruch nehmen, bezahlen einen Betrag X an den Verein, der dies organisiert."

Der weitere Zeitplan: Am 25. Oktober endet die Bewertungsphase, einen Tag später beraten Verwaltung und Fraktionen. Ab dem 9. November werden die stadtteilspezifischen Vorschläge in den Ortsbeiräten diskutiert. Am 7. und 8. Dezember fließen die Ergebnisse in die ganztägigen Haushaltsberatungen des Steuerungsausschusses ein. Am 16. Dezember will der Stadtrat den Haushalt 2010 verabschieden.

Meinung

Klarer Auftrag für die Politik

Von Jörg Pistorius — Der Bürgerhaushalt hat nach den beiden Beteiligungsphasen die ersten wichtigen Prüfungen bestanden. Weder endete er als Muster ohne Wert, für das sich niemand interessiert, noch entwickelte er sich zum realitätsfernen Wunschzettel. Die Vorschläge sind da - jetzt sind ein weiteres Mal die Trie rer gefragt. Und nur wer mitmacht und sich einbringt, darf hinterher auch motzen.

Eine der zentralen Botschaften des Bürgerhaushalts ist bereits jetzt völlig klar vernehmbar: Saniert die Buckelpisten, löst die Blechlawinen auf! In der Tat eines der Themen, über die sich Bewohner und Besucher der Stadt Trier seit Jahrzehnten ärgern. Diese Priorität ist ein klarer Auftrag für die Verantwortungsträger in der Politik. Am 16. Dezember wird sich zeigen, ob und wie sehr dieser Auftrag den Haushalt 2010 prägt. j.pistorius@volksfreund.de

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