Prozess Schluss-Strich nach blutigem Rachefeldzug

Trier · Mit milden Bewährungsstrafen hat das Landgericht das Verfahren um eine Massenschlägerei an der Sauer beendet. Die fünf Angeklagten wurden wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Eine Straßenschlacht zwischen zwei albanischen Familien schreckte am 7. März gegen 15 Uhr die Bewohner einer ruhigen Grenzgemeinde an der Sauer auf. Bei dem Scharmützel im Einsatz waren Fäuste, eine abgebrochene Gardinenstange, Messer und eine scharfe Pistole. Es fiel sogar ein Schuss, der aber glücklicherweise in den Boden ging.

Vier Mitglieder einer in Luxemburg lebenden Albanerfamilie und ein Bekannter von ihnen waren zu einem Rachefeldzug in einen Ort auf die andere Sauerseite gereist. Dort lauerten sie einem Landsmann auf und gingen dann sofort zum Angriff über.

Zufällig mit in die Kampfhandlungen gerieten der Mitangeklagte B und dessen Freund. Die vier Hauptangeklagten im Alter von 35, 31, 23, 50 und 55 Jahren saßen seither in Untersuchungshaft in Deutschland. Der Fall war an die höchste Strafkammer des Gerichts gegangen, weil die Anklage auf versuchten Totschlag lautete.

Die Verhandlung erwies sich als schwierig, der mutmaßliche Tatablauf war komplex. Nach zwei Sitzungstagen war man von der Aufklärung des Geschehens noch weit entfernt. Die Aussagen der Zeugen erwiesen sich als wenig brauchbar. Ihre Angaben wichen vielfach von dem ab, was sie kurz nach dem Vorfall bei der Polizei ausgesagt hatten.

Nur die Folgen standen fest: Die Angreifer waren mit schweren Stichverletzungen im Krankenhaus gelandet, der Angegriffene hatte Hämatome am Kopf und ein Veilchenauge davongetragen. Auch die kurzen Aufzeichnungen einer Auto-Dashcam brachte keine tiefgreifenden Erkenntnisse.

Nur ein wichtiges Detail aus der Anklageschrift konnte nach einer Aussage des Angegriffenen korrigiert werden: Nicht sein Schwager hatte mit zwei Küchenmessern die Angreifer schwer verletzt. Stattdessen räumte der Angegriffene ein, dass er sich mit einem kleinen Klappmesser selbst heftig verteidigt hätte. Ob das letztlich so stimmt, wissen nur die Beteiligten. Widerlegt werden konnte die Aussage nicht – auch die Angeklagten schwiegen dazu.

Am dritten Verhandlungstag soll nun der Schwager des Angegriffenen – der Mann mit den Küchenmessern – gehört werden. Als er aber nicht zum vorgegebenen Zeitpunkt aus Luxemburg erscheint, steht die Verhandlung kurz vor dem Abbruch. Stattdessen terminiert die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz weitere Fortsetzungstermine bis in den April hinein – ein Marathonprozess scheint sich anzubahnen.

Dann steht der Schwager doch noch unerwartet vor dem Schwurgerichtssaal. Aber auch er bringt kein Licht ins Dunkel. Seine Aussagen entsprechen in Teilen nicht den Angaben, die er seinerzeit bei der Polizei gemacht hatte. Vergeblich versuchen Staatsanwalt Benjamin Gehlen und die Verteidiger, mehr Details aus dem Mann herauszufragen.

Rechtsanwalt Frank Rollinger bringt es so auf den Punkt: „Ich hätte noch 100 Fragen – doch die würden uns nicht weiter bringen.“ Schließlich zieht Vorsitzende Schmitz die prozessrechtliche Notbremse und bittet Anklage und Verteidigung zu einem Rechtsgespräch. Schmitz: „Sonst verhandeln wir hier noch bis in den Sommer hinein.“

Das Ergebnis der einstündigen Aussprache ist eine sogenannte verfahrensverkürzende Absprache. Der in der Anklage enthaltene „versuchte Totschlag“ entfällt und wird durch den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung ersetzt. Für den Fall, dass die Angeklagten voll geständig sind, werden ihnen feste Strafrahmen zugesichert, bei denen in vier Fällen Bewährung möglich ist. Nur „Pistolenmann“  müsste – bei schärfster Auslegung – noch zwei Jahre und drei Monate einsitzen.

Der weitere Verlauf wird fast zur Formalie: Staatsanwalt Gehlen beantragt im festgelegten Rahmen milde Strafen wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Angeklagten lassen über ihre Verteidiger entsprechenden Geständnisse verlautbaren. Dann folgt nach kurzer Beratung das Urteil: Alle fünf Männer erhalten Strafen nicht über zwei Jahren Haft, die zur Bewährung ausgesetzt werden. Sie verlassen den Saal auf freiem Fuß.

Warum es überhaupt zu dem Scharmützel im März 2018 gekommen war, bleibt unklar. Es soll um eine Schuldsumme von 2000 Euro gegangen sein, in deren Zusammenhang sich der Angegriffene ehrverletzend über eine Familie der Angreifer ausgelassen habe.

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