KUNSTHANDWERK „Ein Schmied mag ja sowieso Feuer“

Trier · Ob Geländer, Tore, Leuchten oder Wappen: Der Trierer Kunstschmied Klaus Unterrainer macht Eisen formbar und schafft Kunst im Alltag.

 Handarbeit bis ins Detail: Das Geländer am Kurfürstlichen Palais. Foto: Hans Krämer

Handarbeit bis ins Detail: Das Geländer am Kurfürstlichen Palais. Foto: Hans Krämer

Foto: Hans Kraemer

Wie sehr künstlerische Ausgestaltung die Atmosphäre eines Ortes prägen kann, ist einem oftmals gar nicht bewusst. Nehmen wir das Beispiel Trier. Wer die Moselmetropole besucht, bleibt staunend vor der Fassade des Kurfürstlichen Palais’ mit seinen kunstvollen Balkongeländern stehen. Oder auf dem historischen Hauptmarkt vor der Löwenapotheke: Hier unterstreicht das geschmiedete Muschelgitter über dem Eingang die Wertigkeit Deutschlands ältester Apotheke. Vielleicht fiel der erste Blick auf die Benediktinerabtei St. Matthias durch die Toranlage. Aber hat man sich schon einmal gefragt, wer hinter diesen Arbeiten steckt? Wir haben es getan und den Schmied, Gestalter und Restaurator Klaus Unterrainer in seiner Kunstschmiede in Trier besucht.

Seine vielseitigen Schmiedearbeiten begegnen einem nicht nur in Trier und Umgebung bis nach Luxemburg, sondern finden sich sogar in Israel. Wo soll man beginnen? Bei einem Wappen am Palais Walderdorff, den Fackeln im Weinkeller des Romantikhotels Glocke oder einem restaurierten Tabernakel in Neumagen-Dhron? Als erstes kommt die Rede auf das festliche Licht, das die blattvergoldeten Leuchten im Büro der „Werkstatt für anspruchsvolle Schmiede- und Treib­arbeiten in modernen und traditionellen Techniken“ ausstrahlen.

  Klaus Unterrainer in seinem Büro. Zu seinen Arbeiten zählen auch Oberflächengestaltung, wie an der Front des Sideboards, Spiegel- oder Bilderrahmen, Lampen oder Kerzenständer.

Klaus Unterrainer in seinem Büro. Zu seinen Arbeiten zählen auch Oberflächengestaltung, wie an der Front des Sideboards, Spiegel- oder Bilderrahmen, Lampen oder Kerzenständer.

Foto: Kathrin Hofmeister/Kathrin Hifmeister

In der Adventszeit lieben wir das warme Licht des Kerzenscheins ganz besonders. Einen ähnlichen Effekt erzielt der Kunstschmied mit vergoldeten Flächen. Klaus Unterrainer erklärt es am Beispiel der ebenso schlichten wie eindrucksvollen Wandlampe: „Im geschmiedeten U-Profil ist ein LED-Streifen eingepasst. Die blattvergoldete Rückwand wirkt als Reflektor.“ Ab und an seien auch große Kronleuchter angefragt. Das ergebe sich aber oft eher im Laufe eines Auftrags. „Häufig kommen Leute, weil sie ein Geländer brauchen“, erzählt Unterrainer. „Und sind dann überrascht, was man sonst noch alles aus Stahl formen kann.“ Teilweise sind aus einem Auftrag für ein Tor oder Treppengeländer im Außenbereich ganze Einrichtungen im Haus entstanden. Dabei präsentiert er auf seinem Monitor ein barock anmutendes Treppengeländer in einem herrschaftlichen Haus. An der Decke hängt ein imposanter Kronleuchter. „Bei der Deckenhöhe war das gut machbar.“ Aufeinander abgestimmt, wirken die verschiedenen Teile wie aus einem Guss. Der Kronleuchter ist aus Tombak, einem schmiedbaren Messing mit höherem Kupferanteil. „Das Material lässt sich schöner schmieden und wirkt goldartig, wenn es poliert ist“, erklärt Unterrainer.

Wie funktioniert das mit dem Schmieden überhaupt? Um zu begreifen, wie aus einem harten Material wie Stahl ein formbarer Gegenstand werden kann, hilft der Blick in die Werkstatt. Vor dem offenen Feuer biegen Geselle Rafael Zeeh und Auszubildender Levi Adam eine Eisenstange. Um sie bearbeiten zu können muss das Material auf Schmiedetemperatur gebracht werden. Bei 1100 Grad Celsius holt der Azubi das glühende Eisen mit einer Zange aus dem Feuer. Der Geselle haut mit dem Hammer auf die orangegelb leuchtende Fläche. Dreht der angehende Kunstschmied die Stange um 90 Grad, schlägt der andere auf den Amboss. Was gewissermaßen wie „Heavy Metal“ klingt ist der Rhythmus, um beim Schmiedeprozess nicht aus dem Takt zu kommen. Bis auf 800 Grad Celsius kann das Eisen bearbeitet werden. Dann muss es wieder erhitzt werden.

 Zeichen zur Einkehr des Hotel-Restaurants „Zur Glocke“ in Trier  — aus der Kunstschmiede Unterrainer. 

Zeichen zur Einkehr des Hotel-Restaurants „Zur Glocke“ in Trier  — aus der Kunstschmiede Unterrainer. 

Foto: Hans Kraemer

Ob die Männer auch die heimelige Wärme eines Feuers lieben, wie man es sich in der Winterzeit wünscht? Unterrainer lacht: „Ein Schmied mag ja sowieso Feuer.“ Dann erklärt er anschaulich, wie sie mit Strecklängen arbeiten: „Stellen Sie sich vor, Sie haben Knete in der Hand. Drückt man das Material, wird es länger. Es streckt sich um eine bestimmte Länge. Das kann man berechnen. Am weitesten kommt man in unserem Beruf aber mit Erfahrung.“

Die hatte schon Klaus Unterrainers Vater. 1985 hat er den Betrieb von ihm übernommen. Viele Schmiedearbeiten im Trierer Dom stammen noch von seinem Vater. Der gebürtige Tiroler war seinerzeit als Schmiedemeister nach Trier gekommen – der Liebe wegen. Klaus Unterrainer ging beim Vater in die Lehre. 1995 hängte er ein Studium an der Akademie des Handwerks in Saarbrücken an und erwarb die Zusatzqualifikation „Gestalter im Handwerk“.

 Teile des Wappens am Palais Walderdorff in Trier – ein weiteres Beispiel aus der Werkstatt Unterrainer.

Teile des Wappens am Palais Walderdorff in Trier – ein weiteres Beispiel aus der Werkstatt Unterrainer.

Foto: Hans Kraemer

Auch dekorative Oberflächen kreiert der Gestalter. „Bleche lassen sich verfärben. Je höher die Temperatur ist, desto blauer wird das Material“, erklärt Unterrainer. Stahl ist erst silbrig. Steigt die Temperatur färbt er sich von strohgelb über Goldtöne nach Rot, geht ins Violette über und zeigt sich schließlich graublau. Diese Qualität setzt der experimentierfreudige Kunstschmied bei Mobiliar ein. „Mich hat interessiert, wie man die Farben trennen kann.“ Dass er es herausgefunden hat, verraten die farbigen Quadrate und Rechtecke auf der Front eines Sideboards in seinem Büro oder der Spiegel an der Wand, den ein metallischer Farbrahmen einfasst. Wie Unterrainer seine Technik verfeinert hat, bleibt natürlich sein Betriebsgeheimnis. Auf die Idee mit den Möbeln kam er im Gespräch mit Schreinern während einer Messe in Luxemburg.

 Geschmiedet: Kronleuchter und Geländer in einem Privathaus.

Geschmiedet: Kronleuchter und Geländer in einem Privathaus.

Foto: Foto: Klaus Unterrainer

Überhaupt ist Luxemburg aus Kunstschmiedesicht ein interessantes Pflaster. Auf Fort Thüngen im luxemburgischen Dräi Eechelen beispielsweise hat er die Zugbrückenmechanik anhand der Kratzspuren im Mauerwerk rekonstruiert. Im Repräsentantenhaus Bâtiments de la Chambre des Deputés restaurierte er den historischen Kronleuchter und die dazu passenden Wandleuchten.

 Die prunkvollen Geländer am Kursfürstlichen Palais in Trier stammen aus der Kunstschmiede Unterrainer. 

Die prunkvollen Geländer am Kursfürstlichen Palais in Trier stammen aus der Kunstschmiede Unterrainer. 

Foto: Hans Kraemer

Die Restaurierung alter Schmiedekunst ist ein wichtiges Betätigungsfeld des uralten Handwerks geworden. Zur einer 20-monatigen Weiterbildung auf Schloss Raesfeld im Münsterland zum Restaurator im Metallbauerhandwerk entschloss sich der heute 62-Jährige vor 16 Jahren. „Mir war es wichtig, noch fundierter an die Ausführung der zu restaurierenden Werke zu gehen.“ Ein in Kupfer getriebenes, blattvergoldetes Windspiel ist das geographisch am weitesten entfernte Projekt. Es steht in Israel und hat am Neubau des Oratoriums der Brotvermehrungskirche seinen Platz als Dachabschluss gefunden. „Als Vorbild diente ein byzantinisches Mosaik aus dem dritten Jahrhundert nach Christus, welches in der Brotvermehrungskirche am See Genezareth gefunden wurde.“ 

In denkmalpflegerische Sachen denkt sich Unterrainer besonders gerne hinein. Zahlreiche gewonnene Ausschreibungen zeugen von seinem Gespür für Gewachsenes. „Mir ist es wichtig, dass die Arbeit, wenn sie fertig ist, so aussieht als sei sie immer schon dagewesen.“ Aber wie funktioniert das? Der Experte beschreibt eines der jüngsten Projekte, bei dem die Besitzerin eines alten Bauernhauses nichts weiter als einen Staketenzaun in Rostoptik wollte. Der Kunstschmied nahm wie immer das Aufmaß, fotografierte das Umfeld und – aufgepasst, darauf kommt es an – schaute sich das Haus ganz genau an: „Gibt es Details, die man aufnehmen kann?“ In diesem Fall fand sich im Türstock ein sternartiges Symbol, das er als geschmiedeten Abschluss einbringen konnte. Bei modernen Häusern bleibe er eher bei der sachlich-modernen Gestaltung.

Einmal kam der Auftrag ein altes Gartentor durch ein neues zu ersetzen. „Das alte Tor war gestalterisch aber perfekt.“ Unterrainer schlug vor, es zu restaurieren. Allerdings waren einige der damals gestanzten und gepressten Blütenmotive stark beschädigt. „Mit der industriellen Revolution ist extrem viel in Stahlguss gemacht worden“, erklärt Unterrainer. „Hier hatten wir den kuriosen Fall, dass wir die einst industriell gefertigten Schmuckelemente, die es so nicht mehr gibt, in Handarbeit nachschmieden mussten.“ So bringt jede Zeit ihre eigene Kunst hervor, und prägt nicht nur eine Epoche, sondern auch, was sie ausstrahlt.

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