Schnelle Reißverschlüsse

TRIER. (ph) Die einzige Konstante des Abends war der schwarze Hosenanzug: Nahezu jeder der 20 jungen Designer hatte für seinen kurzen Auftritt auf dem Laufsteg unscheinbare Kleidung gewählt. Im Gegensatz zu ihren Modellen, die am Freitagabend bei der Diplomprüfungsschau der Fachhochschule (FH) Form- und Farbenvielfalt in die alten Gemäuer von St. Maximin brachten.

Hätte Marilyn Manson auf einen Sprung vorbeikommen können, er wäre sicher begeistert gewesen: Der Wind pfiff eisig um die Ecken, Fackeln leuchteten flackernd den Weg zum Ort des Geschehens, einer alten Kirche. Doch der Kultmusiker war im Wortsinne nur ideell anwesend: als eines der "Idole", das sich die Diplomanden "als Quelle der Inspiration" gewählt hatten - so lautete das Thema der Modenschau. Vicky Weis also hatte sich von Marilyn Manson inspirieren lassen und schickte ihre Modelle in schwarz-weißen, aggressiv wirkenden Kleidern aus Lack und Leder auf den Laufsteg. Aus den Lautsprechen dröhnten düstere Metal-Riffs. Weis war nicht die einzige, die ihr Idol im Bereich der Musik gefunden hatte: Boy George und Billy Holliday waren ebenso "vertreten" wie Madonna, die "Im Glanz einer Pop-Ikone" mal im weit ausgeschnittenen Abendkleid, mal im knöchellangen schwarzen Mantel ihrem Ruf als Skandalnudel auch an diesem Abend gerecht wurde. Überhaupt: die Frauen. Ihrer drei zum Vorbild hatte sich Tina Kruft genommen für ihr "Innovatives, variables Design". Und ihre "Drei Engel für Charlie" hatten tatsächlich einige Überraschungen zu bieten und ließen, dem Reißverschluss sei Dank, in Sekundenschnelle ihre - äußeren - Hüllen fallen. Besonders großen Applaus spendete das Publikum der Kollektion "Kaiserin Sissi" von Patrick Barudio. Als Mann quasi ein Exot im Fachbereich Modedesign, waren auch seine Abendkleider durchaus außergewöhnlich und brachten etwas vom Flair der Wiener Hofburg in das alte Gotteshaus, das seit einiger Zeit als Turnhalle genutzt wird. Doch die in den Seitenschiffen abgestellten Sprungkästen und Stufenbarren störten die Atmosphäre kaum - schon eher die vielen leer gebliebenen Plätze. Die waren womöglich dem Umstand geschuldet, dass die Modenschau am Freitag gleich zweimal über den Laufsteg ging - und die erste Vorstellung am frühen Abend nicht in jedermanns Zeitplan passte. Die gekommen waren, erlebten eine zweistündige, professionell gestaltete Show, die zum Teil sehr originelle Ideen vorführte. Etwa die Kollektion "Atatürk" von Berrin Yalkin, die ebenfalls mit begeistertem Applaus gewürdigt wurde. Yalkin wollte mit seinen farbenfrohen, detailreichen Entwürfen die "orientalische Verwandlung vom Osmanischen zur Moderne" darstellen. Würde er noch leben, Kemal Atatürk, der Gründer des modernen türkischen Staates, wäre er sicher begeistert gewesen.

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