Schöne Grüße aus dem "Pfaffennest"

Von Ausonius über Goethe bis zu Thomas Bernhard: Die Stadt Trier hat in der Literatur Spuren hinterlassen. Nicht alle Erinnerungen sind schmeichelhaft, aber unterhaltsam sind sie allemal. Das demonstrierte Schauspieler Michael Ophelders bei einer Matinee mit Jazz und Lyrik im Café Kokolores am Domfreihof.

 Gute Zeilen, schlechte Zeilen: Trier kommt in der Literatur nicht überall gut weg, wie Schauspieler Michael Ophelders bei seiner Lesung zeigt. TV-Foto: Andreas Feichtner

Gute Zeilen, schlechte Zeilen: Trier kommt in der Literatur nicht überall gut weg, wie Schauspieler Michael Ophelders bei seiner Lesung zeigt. TV-Foto: Andreas Feichtner

Trier. Mit etwas Fantasie kann man Johann Wolfgang von Goethe samt Entourage im Hintergrund vorbeiziehen sehen, beim Blick durch die Fenster des Palais Walderdorff: Ein Spaziergang über den Domfreihof, mit einem wenig amüsierten Geheimrat, quer durchs Zentrum des "alten Pfaffennests" mit all seinen Kirchen, Klostern, Kapellchen. Okay - es ist 220 Jahre her, dass es Goethe nach Trier verschlagen hatte. Seine Erinnerungen an einige Trie-rer sind nicht unbedingt schmeichelhaft: grob, ungeschliffen, intolerant. Und die Studenten? Ach je!

Vielleicht hatten sie nur einen schlechten Tag, die Trierer. Oder Goethe. Schauspieler Michael Ophelders sitzt im Cafe Kokolores und liest Trier ein paar Minuten lang die Leviten. Das Palais Walderdorff stand damals schon, beim Goethe-Besuch. Das Café Kokolores - ganz auf 50er-Jahre-Wohnzimmer getrimmt - eröffnete dagegen erst vor zwei Monaten im historischen Gebäude. Goethes Meinung über die Stadt war nichts fürs Goldene Buch der Stadt. Dass der bitterböse Thomas Bernhard seinen "Weltverbesserer" wenig Positives über die Moselstadt berichten lässt, wundert dagegen kaum: "In Trier ist die Intelligenz nicht zu Hause", ätzte er.

Meist kommt Trier in der Literatur viel besser weg. Dass die Stadt 1300 Jahre älter sein soll als Rom, weiß man von der Inschrift des Roten Hauses. Dass sie zugleich in einer mittelalterlichen Quelle als älteste Stadt Europas gehuldigt wird, ist weniger bekannt. In der Matinee "Trier in der Literatur" wird der große Bogen gespannt. Ophelders gestikuliert, er haucht den mehr oder weniger alten Texten Leben ein. Abwechselnd zu den kurzen Auszügen von antiken und mittelalterlichen Quellen über Stefan Andres ("Der Knabe im Brunnen") bis zu Bernhard gibt es Jazz mit Funk-Einflüssen zu hören. Dafür sorgt Raum 6, eine fünfköpfige Nachwuchsband aus der Jazz- und Rockabteilung der Musikschule. Es war bereits die dritte Auflage der Matinee, bei der verschiedene Kultureinrichtungen der Stadt zusammenarbeiten. Die Stadtbibliothek stellt die Literatur, die Musikschule besorgt die Band, die Volkshochschule (VHS) organisiert mit, und das Theater ist mit Ophelders vertreten. "Das ist eine Zusammenarbeit, von der alle Seiten profitieren können", sagt Gisela Sauer von der VHS. Thematisch sind die Macher flexibel: Bei der nächsten Auflage - wohl im Herbst - will sich Ophelders den "Schwachsinn" vorknöpfen, den Hitler einst in "Mein Kampf" zu Papier gebracht hatte.

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