Schöner, gefährlicher Baumriese

Langsur-Mesenich · Naturdenkmäler sind Bestandteil unseres kulturellen Erbes, sie können jedoch für den Besitzer auch lästig und teuer werden. So wie die alte Rosskastanie in Mesenich. Susanna Scheuer (76) musste sie jetzt für mehr als 1000 Euro stutzen lassen, dabei wollte sie den Baum am liebsten loswerden.

Langsur-Mesenich. Drei Dinge sind es, die dem Betrachter im Sauerörtchen Mesenich (370 Einwohner) sofort ins Auge fallen, weil sie so groß sind: die Autobahnbrücke, der Kirchturm und die Rosskastanie in der Ortsmitte. Kurz vor Ostern hat eine Gartenbaufirma die riesige Baumkrone zurückgeschnitten. Besitzerin Susanna Scheuer blieb keine andere Wahl, denn die Rosskastanie in ihrem Garten gefährdete den öffentlichen Verkehrsraum, wie es in der Behördensprache heißt. Die Äste des weithin sichtbaren Mesenicher Wahrzeichens ragten nicht nur über ihr Haus, sondern auch weit über die Trierer Straße bis zur gegenüberliegenden Bebauung.
Wie alt der Baum ist, kann Susanna Scheuer nicht genau sagen: "Ich weiß nur, dass meine Mutter, und die ist 1906 geboren, immer gesagt hat, dass ihre Großeltern den Baum gepflanzt haben." 1944 wurde der Hausbaum der Scheuers als Naturdenkmal eingetragen. Diesen Status haben 86 Objekte im Landkreis Trier-Saarburg, darunter 54 Bäume und Baumgruppen (siehe Extra). Dass ihre möglicherweise über 150 Jahre alte Rosskastanie ein Denkmal ist, hat Susanna Scheuer bereits einige schlaflose Nächte gekostet. Eigentlich mache ihr der Baum zu viel Arbeit, sagt sie, am liebsten würde sie ihn fällen lassen. Aber das darf sie nicht.
Als im vergangenen Jahr eine Frau in Trier von einem herabstürzenden Baum erschlagen wurde (der TV berichtete), habe sie Gewissensbisse bekommen und sich an die Gemeinde gewandt, berichtet sie. Die hatte ein offenes Ohr für ihre Probleme und gab ein Baumgutachten in Auftrag. Dazu Langsurs Ortsbürgermeister Rüdiger Artz: "Wir mussten sowieso eine Linde in Metzdorf und eine andere Kastanie in Mesenich überprüfen lassen, da ging das in einem."
Stamm zu 80 Prozent ausgehöhlt


Baumgutachter Karl-Josef Prüm aus Trier diagnostizierte "starke Vorschädigungen durch frühere Rückschnitte" und einen "zu 80 Prozent ausgehöhlten Stamm". Die Rosskastanie werde schnell morsch, wenn sie einmal geschädigt sei, und könne die Fäulnis schlecht abschotten, sagt Prüm. Wegen ihrer mächtigen Krone und des geschwächten Stamms stufte er die Mesenicher Rosskastanie als risikohaft ein. Susanna Scheuer blieb nichts anderes übrig, als ihren Baum fachmännisch stutzen zu lassen. Vorletzten Samstag war es so weit.
Die Rechnung von über 1000 Euro wird die Besitzerin wohl alleine übernehmen müssen. Von der Kreisverwaltung, die als Umweltbehörde für Naturdenkmäler zuständig ist, wurde der 76-Jährigen mitgeteilt, dass es keine Zuschüsse mehr gebe. Bis 1999 seien baumchirurgische Maßnahmen zum Erhalt eines Naturdenkmals noch bis zu 100 Prozent vom Land gefördert worden, sagt Kreissprecher Thomas Müller, dann habe Mainz die Zuschüsse eingestellt. Die Verkehrssicherungspflicht liege grundsätzlich beim Eigentümer, daran ändere auch eine Unterschutzstellung nichts.
Obwohl Baumgutachter Prüm Scheuer zugesichert hat, dass die Kastanie nach dem Rückschnitt "mindestens fünf Jahre Ruhe gibt", möchte sie den Baum aus dem Naturdenkmalkataster des Kreises streichen lassen. Dies hat ihr Ortsbürgermeister Artz so empfohlen. Und die Chancen stehen gut. "Der Zerfallsprozess ist nicht mehr aufzuhalten. In diesem Zustand ist der Baum nicht mehr schützenswert und damit kein Naturdenkmal mehr", glaubt Experte Karl-Josef Prüm.
Sollte ihr Baum beim Kreis "gelöscht" werden, will die Besitzerin erst einmal die fünfjährige Bestandsgarantie abwarten. "So lange kann er noch stehen, und danach schauen wir mal, wie er sich weiter entwickelt."
Extra

Im Kreis sind 86 Objekte als Naturdenkmäler ausgewiesen: 54 Bäume- und Baumgruppen, 25 Felsen, zwei Höhlen, drei Quellen, Wasserläufe und Weiher, ein Pflanzbestand und eine Waldpartie. Herausragende Beispiele sind der Leukwasserfall in Saarburg, die Genovevahöhle bei Kordel und drei Edelkastanien bei Lorich. Sie sind 300 bis 400 Jahre alt und damit die ältesten Bäume im Kreis.alf

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort