Trier Schöner Stein des Anstoßes

TRIER. Schöner Stein des Anstoßes: In der Olewiger Straße ragt der Neubau des Weinhauses Becker – ein kubistischer Flachdachriegel – weit aus der Häuserflucht hervor. Viele beschweren sich über den "Fremdkörper" im Ortskern. Beim Architektur- und Städtebaubeirat der Stadt Trier findet der Bau dagegen wohlwollende, ja sogar begeisterte Zustimmung.

Bis zum Straßenrand ragt der moderne Neubau neben dem alten Weinhaus Becker aus der Häuserflucht hervor. Sitzen auf den umgebenden Häusern Satteldächer - mal mit dem Giebel, mal mit der Seitenfläche zur Straße gerichtet - schließt das neue Restaurant und Hotel ein Flachdach ab. Sind die anderen Häuser der Straße lückenlos aneinander gebaut, hält der Quaderbau zum rechten Nachbarn mehrere Meter Abstand. Keine Frage: Der moderne Bau setzt eine deutliche Zäsur in der Olewiger Straße. Gesprächsthema Nummer eins

 "Dass es bei einem ausgefallenen Bau zu Diskussionen kommen wird, war uns von vornherein klar", sagt Wolfgang Becker, Michelin-Sternekoch, Bauherr und Inhaber des bundesweit bekannten Gourmet-Restaurants Weinhaus Becker. Tatsächlich ist der Neubau in dem Winzerort Gesprächsthema Nummer eins. Von sachlicher Kritik bis zu emotionalen Ausbrüchen (siehe Extra-Text) reichen die Reaktionen. Sogar das Gerücht, bei der Baugenehmigung sei es "nicht mit rechten Dingen" zugegangen, kursiert. Dabei ist der Bau nicht nur völlig rechtskonform vom Bauamt abgesegnet, sondern das Ergebnis monatelanger Zusammenarbeit mit dem Architektur- und Städtebaubeirat (ASB) der Stadt Trier. "Kein Trierer Bauherr hat bisher so viel Bereitschaft gezeigt, von Stadtplanungsamt und ASB Ratschläge anzunehmen, um einen qualitätvollen Bau zu realisieren", sagt Frank Simons, ASB-Mitglied und Leiter des städtischen Bauaufsichtsamts. Als Bauherr Becker seine ursprünglichen Pläne vorstellte - die sich bei Häuserflucht, Dachausrichtung und mit Baulücken-Schluss an der Umgebungsbebauung orientierten - bat der ASB um Überarbeitung. Schon das alte Weinhaus passe nicht in die Bebauung, die vorgestellten Kompromiss-Pläne würden das Problem nicht lösen. Der ASB empfahl, der Neubau könne sich ruhig "weniger an die bestehenden Strukturen binden", heißt es in dem Sitzungsprotokoll. Becker trennte sich von den kritisierten Plänen - die ihn insgesamt rund 50 000 Euro gekostet hatten - und plante nach eigenen Vorstellungen mit seinem Merziger Architekten Andreas Bohr neu. Der ASB schaute sich vor Ort Umgebungsbebauung, Straßenverlauf und die Wirkung des gegenüber liegenden Klosterbaus an, um fundiert urteilen zu können. Von den Studenten des Darmstädter Architektur-Professors und Trierer ASB-Mitglieds Ansgar Lamott kamen ergänzende Vorschläge. Vier Mal tagte der ASB - zu dem auch Mitglieder aller Stadtratsfraktionen gehören, - dann stand der Entwurf fest. "Ausdrücklicher Dank für das gute Ergebnis"

 "Das Gebäude ist aufgrund seiner Gliederungswirkung ein wichtiger Baustein für die Olewiger Straße, wenn es auch dort auf den ersten Blick ein wenig fremd wirkt", heißt es dazu im letzten Sitzungsprotokoll. "Mit Begeisterung" befürwortet der ASB das Vorhaben und dankt "ausdrücklich für das sehr gute Ergebnis." Enttäuscht ist Becker nicht darüber, dass trotz seiner Anstrengungen der Bau vielen nicht gefällt. "Wir haben schließlich auch schon viele zustimmende Kommentare gehört", sagt er. Architekt Hans-Jürgen Stein aus Kasel, der die Ausführungsplanung übernommen hat, fügt hinzu: "Auch die von uns entworfene Touristeninformation in Kasel haben manche im Rohbau als ,Schuhkarton' kritisiert - jetzt, wo das Gebäude fertig ist, haben viele ihre Meinung geändert." Am Sonntag feiert Wolfgang Becker das Richtfest seines modernen Neubaus. Eingeladen hat er dazu die ganze Nachbarschaft.

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