Schräg, schrill, scharf
TRIER. Wer beim Konzert des Nguyen-Lê-Quartetts Gitarren-Gewitter erwartet hatte, lag richtig. Der in Frankreich lebende Vietnamese hat ein Faible für die Gitarren-Ikone Jimi Hendrix. So entwickelte er das "Jimi Hendrix Project", mit dem er in der Tuchfabrik vor rund 250 Gästen spielte.
An der Schnittstelle zwischen Rock und Jazz zu musizieren, ist immer ein Wagnis. Insbesondere, wenn ein Musiker die Werke von Jimi Hendrix interpretieren will. Als schrill, avantgardistisch und in der Summe wilder New Jazz würde sich die Performance des Nguyen-Lê-Quartetts am ehesten bezeichnen lassen. Mal nähern die Musiker sich alten Hendrix-Nummern, so beim Song "Purple Haze", mal verfremden sie die Original-Melodien. Dennoch findet das Quartett immer wieder zu seiner eigenen Linie zurück, die sich dadurch auszeichnet, dass jeder Musiker dem anderen genug Raum gibt. Das tut die Band auf spieltechnisch sehr hohem Niveau. Wohltuend zurückhaltend bleibt Nguyen Lê, von Profil-Neurose keine Spur. Dabei hätte er guten Grund dazu. Bereits 1987 war Nguyen Lê Mitglied des "Orchestre National de Jazz” in Frankreich und hat unter anderem mit Jazz-Größen wie Marc Johnson, Peter Erskine, Randy Brecker, Gil Evans, Quincy Jones, Kenny Wheeler und Renaud Garcia Fons gespielt. Mit seinen eigenen Bandprojekten wurde er bei den bedeutendsten Festivals verpflichtet, so in Zürich, Montreux oder Cannes. Dennoch bleibt Lê meistens am Rand, lässt seinen Musikern viel Raum, um sich zu entfalten. So bringt Stephane Galland an den Drums den passenden Rhythmus-Teppich für Sängerin Cathy Renoir und den Bassisten Linley Marthe. Renoir singt, summt, schreit, setzt ihre Stimme voll ein, um sich auszudrücken, und zaubert immer wieder ein neues Rhythmus-Instrument, von der Tri-Angel bis zur Holzröhre, hervor. Linley Marthe bleibt am Bass entspannt, gibt den Beat für die Sound-Maschinerie, die einen Abend mit neuen Klängen bereitet. "Das kracht!", meint ein Zuhörer. Da jagt ein Gitarren-Solo das nächste, Nguyen Lê spielt, als wolle er den Geist von Jimi Hendrix heraufbeschwören. Das Publikum, vornehmlich Jazzfans und einige langhaarige Alt-Rocker, reagiert freilich unterschiedlich. Eine kleinere Gruppe zieht es vor, bereits nach der Pause zu gehen. Für die, die bleiben, wird das Konzert nach der Pause umso intensiver, und sie honorieren es auch mit viel Applaus. Freilich ist es keine leichte Kost, die der Jazzclub Eurocore an diesem Abend bietet. Das Nguyen-Lê-Quartett fällt eben aus dem Rahmen. Aber das ist es doch letztlich, was Jazz ausmacht: Offen sein für Neues und ab und an aus dem Rahmen fallen. Das nächste Konzert des Jazzclubs Eurocore in der Trierer Tufa ist am Donnerstag, 8. Dezember, 20.30 Uhr, mit Wolfgang Schmid und seiner Formation "Kick".