Schwarzer Humor erwünscht

Trier. (bru) Eine ungewöhnliche Forderung wurde anlässlich des Behinderten-Protesttags 2006 im Palais Walderdorff gestellt: "Auch Behinderte haben das Recht, verarscht zu werden."

 Großer Schlussapplaus für alle Schauspieler (von links): Sabine Kaufmann, Beate Zimmer, Andreas Conrad, Connie Schilz, Melanie Maier, Michael Jörg, Paul Haubrich, Annette Gailing, Klaudia Klaus-Höhl, Ute Treinen. Foto: Sabine Brudny

Großer Schlussapplaus für alle Schauspieler (von links): Sabine Kaufmann, Beate Zimmer, Andreas Conrad, Connie Schilz, Melanie Maier, Michael Jörg, Paul Haubrich, Annette Gailing, Klaudia Klaus-Höhl, Ute Treinen. Foto: Sabine Brudny

Schwarzer Humor über Behinderte? Nein, viel zu sensibilisiert ist der moderne Mensch, um so etwas gutheißen zu können. "Warum?", fragen sich die Betroffenen, Menschen mit Behinderungen. "Sonst spricht man doch auch immer von Gleichstellung." Der Club Aktiv aus Trier hat sich dieses Thema für den Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen 2006 ausgesucht - in Zusammenarbeit mit dem Gesamtverband von Menschen mit Behinderungen (GMB) aus Erfurt. Herausgekommen ist etwas, was unmöglich scheint: Diskriminierungen im Alltag sorgen für großes Gelächter und begeisterten Applaus. Weit über 100 Gäste strömen am frühen Morgen in die Räume des Palais Walderdorff. Im Eingang stehen Stellwände mit Bildern des Magdeburger Pressecartoonisten Phil Hubbe. Er selbst ist seit 20 Jahren an Multipler Sklerose erkrankt. "Aber das sieht man mir kaum an. Ich gebe zu, es ist einfacher, in einem Behinderten-Cartoon einen Rollstuhlfahrer zu skizzieren - das macht die Sache plakativer." Seit 1992 arbeitet er als Presse-Cartoonist, erst 1999 kamen die Behinderten-Witze dazu. Ein Randprodukt, wie er sagt. Zu viele Menschen lehnten diese ab; nur von Behinderten selbst habe er von Anfang an Zuspruch dafür erhalten. Entsprechend schwierig gestaltete sich die Suche nach einem Verlag für das Buch. "Und die Buchhandlungen legen es nicht aus - man muss es bestellen." Die Veranstaltung beginnt zwanglos. Auf der Bühne sitzen zwei Männer an einem Tisch und unterhalten sich, Haider Schellenberg vom GMB und Club-Aktiv-Geschäftsführer Paul Haubrich. In diesem Gespräch geht es nicht um plakative Forderungen oder große Beschwerden, sondern darum, die verschiedenen Problemfelder unter dem weiten Begriff "Gleichstellung" zu skizzieren. "Gleichstellung kann auch Schlechterstellung für manchen Behinderten bedeuten", erklärt Haubrich. Unbedingte Gleichstellung fordert er aber im Humor. "Warum darf man über jeden lachen, nur nicht über Behinderte? Wir haben ein Recht darauf, verarscht zu werden!" Und da andere sich davor zieren, übernimmt dies der Club Aktiv eine Stunde lang auf der Bühne mit selbst geschriebenen Sketchen. Am Anfang ist das Lachen noch verhalten. Eigentlich haben alle Besucher diese Situationen schon erlebt: Ungeduldige Menschen, die davon ausgehen, dass Behinderte sowieso über mehr Zeit verfügen ("Sie sitzen doch so schön; und ich habe es eilig; sicher lassen sie mich vor!"); Pflegepersonal, das die Betreuten wie Kleinkinder behandelt ("Jetzt nehmen wir schön unsere Tabletten..."); und - natürlich - der Deutschen Lieblingskind: Formulare, Formulare... ("Chef, es hat geklappt. Ich habe dem Amt gerade 187,89 Euro gespart - der kauft sein Rollstuhlrad lieber selbst, als die neuen Bögen auszufüllen!") Auf einmal ist das Publikum mittendrin; Lachen und Applaus reißen gar nicht mehr ab. Die Stunde ist viel zu schnell vorbei. Nachdem die beiden Piloten der Stevie-Wonder-Airline ihre Passagiere sicher in die Luft brachten, wenden sie sich ans Publikum. "Wir waren uns unsicher, ob unsere Witze ankommen", sagt Pilot und Erster Vorsitzender vom Club Aktiv Michael Jörg. "Aber dass Sie mit uns gelacht haben, zeigt, dass unser Humor der gleiche ist wie Ihrer."

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