Gesellschaft Rücksicht nehmen ist gefragt

Trier · Mehr Hürden im Alltag: Corona-Regeln fordern Sehbehinderte heraus.

 Marion Palm-Stalp ist neue Redakteurin der Trierischen Tonpost im Bistum Trier.

Marion Palm-Stalp ist neue Redakteurin der Trierischen Tonpost im Bistum Trier.

Foto: Arno Rietz

Der Alltag in der Corona-­Krise stellt die gesamte Bevölkerung weltweit vor Herausforderungen. Doch vor allem für Menschen mit Handicap ist es schwer, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Der Tag der Sehbehinderten soll in diesem Jahr die Öffentlichkeit für die spezielle Situation Sehbehinderter während der Pandemie sensibilisieren. Wie Nicht-Beeinträchtigte ihre Mitmenschen unterstützen können, weiß das neue Redaktionsmitglied der Trierischen Tonpost im Bistum Trier, Marion Palm-Stalp. Seit Mai ist sie Teil des siebenköpfigen Teams, das monatlich ein kostenfreies Audio­magazin herausbringt. Ihr Einstieg bei der Tonpost mitten in der Krise lief völlig unproblematisch, da sie die meisten ihrer Aufgaben im Home­office erledigen könne, erzählt Palm-Stalp, die fast vollständig erblindet ist. Lediglich für eine Vorbesprechung und eine Studioproduktion musste die Moderatorin des Hörerforums vor Ort sein.

Deutlich weniger entspannt gestaltet sich hingegen ihr privates Leben. Zum Beispiel beim Kauf neuer Kleidung und Schuhe für ihre zehnjährige Tochter. „Unser Alltag wurde komplett neu strukturiert, und Selbstverständlichkeiten gab es von jetzt auf gleich nicht mehr“, beschreibt die 50-Jährige ihre Erfahrungen während des Shutdowns, der in den vergangenen Wochen nach und nach gelockert wurde.

Nach sechs Wochen, die sie vorwiegend zuhause verbrachte, wagte sich Palm-Stalp, die sich ehrenamtlich bei Pro Retina Deutschland e.V. engagiert und die Regionalgruppen Trier und Saarland leitet, erstmals wieder in die Trierer Innenstadt. Mit einem gemütlichen Mutter-­Tochter-­Einkaufs­bummel hatte der Ausflug allerdings wenig gemein: „Das war Shoppen unter völlig neuen Bedingungen: minimaler Spaßfaktor – maximale Anspannung“, berichtet sie. Besonders das Abstandhalten stelle ein Problem dar. Martin Ludwig, Leiter der Tonpost und selbst sehbehindert, erklärt, weshalb: „Infolge der Corona-Epidemie gibt es jetzt Warteschlangen mit großen Abständen – peinlich, wenn man die Wartenden nicht registriert und einfach in ein Geschäft spaziert, ohne sich anzustellen.“ Auch eine Busfahrt könne zum Problem werden, wenn man nicht mehr vorne beim Fahrer einsteigen und erfragen könne, um welche Buslinie es sich handelt. „Das sind Situationen, in denen man sich alleingelassen fühlt und Unterstützung sehr willkommen wäre“, berichtet Ludwig. Ein weiteres, auf den ersten Blick banales Beispiel findet sich auf den Internetseiten des DBSV: Vielerorts hängen derzeit Zettel, die etwa die aktuellen Hygiene­regeln in Geschäften erläutern. Dabei liegt es auf der Hand, dass sich Blinde und Sehbehinderte diese wichtigen Informationen nicht selbst erschließen können.

Sie seien gerade jetzt auf die Rücksichtnahme ihrer Mitmenschen angewiesen, betont Palm-Stalp. Doch lange nicht jeder habe in der Krise einen Blick für die Bedürfnisse anderer. „Ich glaube, viele einkaufswütige Menschen haben bislang nicht verstanden, dass wir alle im selben Boot sitzen und weder Verkäufer, Ordnungshüter noch alle anderen, die unser Leben im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten am Laufen halten, für die momentane Situation verantwortlich sind.“ Sie wünsche sich, dass Passanten sensibler reagieren und den Sicherheitsabstand einhalten, wenn sie einem Menschen mit Langstock oder Blindenabzeichen – drei schwarze Punkte auf gelbem Grund – begegnen.

Was ihr künftiges Wirken bei der Tonpost betrifft, nimmt sich Palm-Stalp, die bereits mit Anfang 20 an der fortschreitenden Netzhaut-Degeneration Morbus Stargardt erkrankte, gern ein Beispiel an ihrer Vorgängerin Marion Remmy. „Die persönliche Ansprache von Marion an die Hörerschaft gefiel mir immer besonders gut. Das möchte ich so beibehalten.“

Zehn Tipps für Sehende und einen speziellen Corona-Ratgeber gibt es hier: www.dbsv.org/sehbehindertentag.html. Weitere Informationen zur Trierischen Tonpost auf www.bistum-trier.de/tonpost, unter Telefon 0651/7105-430 oder E-Mail tonpost@bistum-trier.de.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort