"Sich etwas zutrauen"

TRIER. Manche Menschen sind es von klein auf gewohnt, mit einer Behinderung zu leben. Andere werden ganz plötzlich davon überrumpelt. Für sie alle setzen sich Hildegard Stark und Walter Eltges mit der Bewegung "fraternität" ein.

Der weiß-rote Schriftzug über dem Büro in der Trierer Gartenfeldstraße fällt einem direkt ins Auge: "fraternität Büro - Bundesleitungsteam". Dort arbeitet Hildegard Stark ehrenamtlich, gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Walter Eltges. Die missionarische Laienbewegung "fraternität" ist in vielen Ländern Europas und der Welt aktiv. Gegründet wurde sie 1945 in Frankreich von Père Henri Francois. 1957 kam die Bewegung auch nach Deutschland: In Trier begann Dr. Käthe Hoffmann damit, behinderte Menschen zu besuchen und Treffen zu organisieren. Die "fraternität" versteht sich daher auch als Behinderten-Selbsthilfe für körperbehinderte und langzeitkranke Menschen. Sie finanziert sich durch einen Zuschuss des Bistums und durch Spenden. Seit Mitte der 90er-Jahre ist sie im Caritas-Verband. "Wir setzen uns dafür ein, dass sich Behinderte nicht zurückziehen, sondern nach außen, in die Gesellschaft gehen", sagt Walter Eltges. "Wir möchten, dass Behinderte sich etwas zutrauen", ergänzt Hildegard Stark. Sie ist bereits seit Ende der 70er-Jahre in der Bewegung aktiv. "Für mich war die ,fraternität' eine Möglichkeit, herauszukommen und mit anderen Behinderten in Kontakt zu treten", erinnert sie sich. Seit dem Kindesalter leidet sie unter den Folgen einer Hüftgelenkentzündung mit Beinverkürzung, hat regelmäßig Schmerzen. "Trotzdem habe ich mich immer um alles selber gekümmert", betont sie. In Limburg leitete sie bereits eine Gruppe der "fraternität", bevor sie vor etwa zwölf Jahren nach Trier kam: Sie war ihrem Mann Harald gefolgt, dem Bundesvorsitzenden der Bewegung. Nach seinem Tod vor fünf Jahren übernahm Hildegard Stark den Vorsitz und kümmert sich seitdem um den Kontakt zu den 36 Gruppen in Deutschland. Drei Tagungen finden im Jahr statt. "Ich habe mich durch die Arbeit abgelenkt, fast bis zum Umfallen", erinnert sie sich. Vor einem Jahr jedoch kamen verstärkt gesundheitliche Probleme und Stress auf der Arbeit hinzu, sie wurde berufsunfähig. Ihre ehrenamtliche Tätigkeit für die "fraternität" führte sie dennoch weiter: "Hier kann ich mir alles einteilen, und ich muss nicht immer funktionieren." Im nächsten Jahr wird das 50-jährige Jubiläum gefeiert: "Wir machen das in den jeweiligen Gruppen, keine große zentrale Feier", überlegt sich Hildegard Stark. Ihren Lebensgefährten Walter Eltges lernte sie vor etwa zwei Jahren kennen. Durch eine Krebserkrankung stürzte der voll im Leben stehende Mann "von Leistungsfähigkeit hundert direkt auf null": ein Schock, von dem er sich bis heute noch nicht ganz erholt hat. Doch auch er ist nun ehrenamtlich im Leitungsteam der "fraternität" aktiv. "Das ist eine Diskrepanz", sagt Hildegard Stark. Ihr Mann Harald beispielsweise war erwerbsunfähig, vierfach gelähmt - doch dies bedeutete nicht, dass er auch privat untätig bleiben musste. Ehrenamtliches Engagement ist heute nicht selbstverständlich: "Unsere Gruppen sind weniger und kleiner geworden", beklagen Hildegard Stark und Walter Eltges. "Wir haben so eine schnelllebige Zeit mit vielen Möglichkeiten, da bindet man sich nicht gerne." Viele junge Menschen kämen auch mit Religiösität der "fraternität" nicht klar, meint Hildegard Stark. Doch die Bewegung setzt sich für die Belange behinderter Menschen ein, vor allem für ihre Mobilität. Für dieses Jahr plant die "fraternität" in Trier noch einen Ausflug nach Manderscheid, einen Herbstvortrag und eine Adventsfeier.

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