Sie sieht die Welt als Farbenspiel

Zemmer · Seit 30 Jahren arbeitet Dorette Polnauer als freischaffende Künstlerin, seit 14 Jahren in Zemmer. Was sie sich wünscht: Weniger Berührungsängste der Menschen mit der Kunst, mehr gesellschaftliche Anerkennung für Menschen ihrer Profession und dass ihr bis ins hohe Alter die Wahrnehmung der Farben erhalten bleibt.

Zemmer. Mitten in Zemmer zieht ein riesiger rostiger Quader an der Straße die Blicke auf sich. "ARTE 4" ist aus dem Metall herausgestanzt. Ein Hinweis auf die Kunstgalerie mit der Hausnummer 4. Hier arbeitet Dorette Polnauer, seit sie vor 14 Jahren mit ihrem Lebensgefährten Achim Blankenhorn das Haus gekauft hat. Das 1860 als Schmiede errichtete Gebäude war der Grund, warum die Künstlerin und der Metallbauer aus Stuttgart in die Eifel zogen. Raus aus der räumlichen Enge der Stadt, hinein in ein großzügiges Atelier mit angrenzendem Wohnbereich.Menschen ganz nah

Hinter dem großen, blauen Tor arbeitet Polnauer, wo einst die Pferde beschlagen wurden, und zeigt ihre Bilder gerne den Besuchern, die zu ihrem Bedauern viel zu selten vorbeischauen. Sechs Meter hoch reichen die weiß gekalkten Wände mit den Bildern, am Boden aufgelockert durch Holz-Skulpturen, die von ihrem Lebensgefährten stammen. Polnauers Bilder sind abstrakt. "Emotionen kann ich in nichtgegenständlichen Bildern besser ausdrücken", erklärt sie. Zwei Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch ihre Malerei. Das eine ist die Spiralform, die sie als Symbol für das Leben einbaut. Das andere ist die schemenhafte Darstellung von ärmellosen Hemden. Die Kleidungsstücke stehen bei Polnauer für die Frage nach dem Kern der Persönlichkeit, die sich sinnbildlich unter einer zweiten Haut verbirgt. Polnauer malt auch nach Auftrag. Wie für die ältere Dame, die nach dem Tod ihres Gatten einen Ersatz für das Gemälde mit röhrendem Hirsch suchte, das sie nun abhängen konnte. Als Ersatz ließ sie sich von Polnauer Landschaftsbilder in leuchtenden Farben malen, weit entfernt von naturalistischer Darstellung. Von dieser Kundin war Polnauer sehr überrascht, bestätigte sie doch, dass der gewöhnlich dem Alter zugeschriebene Geschmack bloßes Klischee ist. Mit alten Menschen sammelt Polnauer derzeit weitere Erfahrungen. In Trierer Altersheimen malt sie mit Demenzkranken. Denn allein vom Verkauf ihrer Bilder kann sie nicht existieren. Es ist eben auch eine Kunst, von der Kunst zu leben. Daher hat sie sich mit Workshops ein zweites Standbein geschaffen. "Um als Künstler zu überleben, muss man vielseitig sein", lautet ihre Strategie. Daher entwickelt sie immer neue Ideen. Sie gibt Malunterricht im Kloster, zeigt in Ägypten, wie man Sand in Bilder einarbeiten kann, und lädt zum "Malen mit Erdfarben" in die Teufelsschlucht ein. Polnauer ist sich der Widrigkeiten ihres Berufes bewusst. Neben der finanziell wackligen Lage fehle es an sozialer Anerkennung. Was sie immer wieder erlebt, ist die Haltung "Wozu brauchen wir Künstler?" Sie hält dagegen: "Bilder sind wichtig, um Erfahrungen mitzuteilen." Sie kann sich weder eine Welt ohne Künstler vorstellen, noch ihr eigenes Leben ohne Malerei und den Ausdruck durch Farben. "Für mich ist das existenziell wichtig", erklärt sie. In ihren Bildern spiegelt sich eine bunte, positive Sichtweise auf die Welt. Ihre Schreckensvision: "Die Einschränkung im Alter, Farben nicht mehr richtig wahrnehmen zu können." Auf ihren vielen Reisen lässt sie sich inspirieren. Ihre Farb-Eindrücke, die sie vor einem Jahr in Neuseeland gewonnen hat, fließen bis heute in ihre Bilder. Doch auch die Eifel sei durchaus inspirierend, findet die Künstlerin. "Die Sonnenuntergänge hier in der Zemmerer Hochebene sind einfach - wow!" Dorette Polnauer wurde 1955 in Recklinghausen geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung studierte sie Grafikdesign in Stuttgart. Nach Jobs in verschiedenen Werbeagenturen machte sie sich mit Ende 20 als freischaffende Künstlerin selbstständig. Nach dem Grafikstudium in Stuttgart unterrichtete sie unter anderem an der Sommerakademie Salzburg (1988 - 1990) und an der Europäischen Kunstakademie Trier (1993 - 1999). Bis 20. Oktober stellt Polnauer gemeinsam mit Achim Blankenhorn in der Galerie AnsichtsSache in der Wiltinger Straße 19 in Konz aus. Atelierbesuche sind nach telefonischer Vereinbarung möglich. Anmeldung unter Telefon 06580/8227. Weitere Infos: dorette-polnauer.de

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