"So habe ich mir den Kampf nicht vorgestellt"

Die in Feldpostbriefen formulierten ganz persönlichen Empfindungen junger deutscher und französischer Soldaten im Ersten Weltkrieg, kontrastiert mit damaliger Propaganda, hat Elmar Köcher zum Inhalt einer szenischen Lesung in der Tufa Trier gemacht. Zusammen mit Matthias Beer und Bernhard Dübon machte er darin auf ergreifende Weise die Absurdität jeder Kriegsverherrlichung und -rechtfertigung deutlich.

Trier. (ae) Im kleinen Saal der Tufa erklingt ein Wiener Walzer (Ton-Effekte: Claudia Jirka-Köcher), plötzlich stürmt ein Bote (Felix Köcher) herein und verteilt ein Extrablatt, das die Ermordung des österreichischen Thronfolgers verkündet. Mit dieser kleinen szenischen Einführung werden die rund 70 Zuschauer, darunter viele Schüler, an den Beginn des Ersten Weltkriegs versetzt, dessen Bild fortan Originalstimmen Beteiligter zeichnen. In drei der Kriegsentwicklung zugeordneten Abschnitten, die jeweils mit Cello-Musik von Anne Thieltges nachhallen, verlesen Matthias Beer und Bernhard Dübon (Fire-Abend-Theater) abwechselnd Briefe von deutschen und französischen Soldaten. Ihnen stellt Elmar Köcher, Initiator der Lesung, Propaganda-Material der Zeit entgegen. Letzteres schürt zu Kriegsbeginn einen patriotischen Rausch, dem die in den Briefen formulierte Hoffnung auf Heldentum im Dienst des Vaterlands entspricht. Doch schon bald wird eine Kluft deutlich: "Grauen, Verstümmelung, so habe ich mir den Kampf nicht vorgestellt", schreibt ein junger Soldat. Ein anderer berichtet vom Entsetzen über "zerschmetterte Menschenleiber", wieder andere von Granatenhagel, Gas-Angriffen und dem Elend der Schützengräben. Dem gegenüber wirkt die Äußerung eines Medizinalrats: "Krieg ist eine Reinigungs- und Verjüngungskur für im Frieden verdorrende Nerven" wie Hohn.

Während einige Soldaten immer noch bereit sind, sich heroisch für höhere Ziele zu opfern, beginnen andere spätestens in der "Hölle von Verdun", an ihren Motiven und ihrer Mission zu zweifeln. Es mehren sich Stimmen, die den "Feind" nicht mehr als solchen wahrnehmen: "Es waren Menschen in heller Verzweiflung", und es gibt sogar Schilderungen von eigenständig vereinbarten Friedenspausen mit persönlichem Austausch über die Frontlinien hinweg. Gegen Ende des Krieges reden offizielle Stimmen die Verluste immer noch klein, doch Mächtige wie Hindenburg entlarven sich auch als Strategen, denen Menschenleben egal sind. Das wiederum deckt sich mit der Desillusionierung der Soldaten, die erkennen, missbraucht worden zu sein.

Am Ende bleibt nicht nur Betroffenheit über diese Schicksale, sondern auch der Gedanke an aktuelle Bezüge wie den als Medienspektakel aufbereiteten Irak-Krieg. Genau das ist die Intention Elmar Köchers, der zum Schluss noch einmal mahnt: "Krieg ist nicht glorreich".

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