Struktur ist das Zauberwort So leben Familien mit Kindern in Trier und Umgebung während der Corona-Krise

Trier/Waldrach · Lange Tage, neue Großfamilien und Hausaufgaben mit Klopapier: Wie Familien die erste Woche der Corona-Pause er- und überlebt haben.

 Es gibt Schlimmeres: Wenn Greta (rechts) ihre Schularbeiten erledigt hat, tollt sie mit ihrem Bruder Bruno im Garten zu Hause in Waldrach. Die Spiel- und Bastelreserve für schlechte Tage hat Mama Julia Schmitt bisher noch nicht gebraucht.

Es gibt Schlimmeres: Wenn Greta (rechts) ihre Schularbeiten erledigt hat, tollt sie mit ihrem Bruder Bruno im Garten zu Hause in Waldrach. Die Spiel- und Bastelreserve für schlechte Tage hat Mama Julia Schmitt bisher noch nicht gebraucht.

Foto: TV/Julia Schmitt

Von heute auf morgen fünf Wochen ohne Kita und Schule – für die meisten Eltern ist das ein Schreckensszenario. Wie war die erste Woche? Was klappte gut, was war schwierig – und wie lief es mit den Hausaufgaben?

Sara, zweieinhalb, hat beschlossen, auf Windeln zu verzichten – zum Beginn der Corona-bedingten kita- und schulfreien Zeit, ausgerechnet. Ihre Mutter rennt nun „gefühlt 80 Mal am Tag“ mit ihr zur Toilette – während die Grundschullehrerin ihre ältere Tochter Anna (6) bei den Hausaufgaben betreut und zugleich Aufgaben für ihre eigenen Schüler vorbereitet, Kontakt zu deren Elternhäusern hält, Feedback gibt. Der Vater der Familie aus dem Landkreis Trier-Saarburg, die die richtigen Namen ihrer Kinder nicht in der Zeitung lesen möchte, arbeitet  in einem Job, in dem Homeoffice keine Option ist. Die junge Mutter stemmt den Tag mit den Mädchen allein. „Wir machen uns morgens fertig, als würden wir aus dem Haus gehen. Dann arbeiten Anna und ich, Sara malt oder klebt Schnipselbilder.“ Das habe in der ersten Woche ganz gut funktioniert,  bilanziert sie. Die Kontakte der Kinder hat sie im Lauf der Woche zunehmend gekappt. Die Großeltern, die im Ort leben, besucht die Familie noch, allerdings nur im Garten. Und immer seien sie oder ihr Mann dabei, sagt die Mutter, damit Oma und Opa den Kids nicht zu nahe kommen müssten – etwa, wenn Sara mal wieder aufs Klo will.

Auch bei Elisabeth Michels-Müller und ihrer Familie beginnt der Arbeitstag trotz Corona-Pause um Punkt 8 Uhr. „Es sind ja keine Ferien im eigentlichen Sinne. Und es ist mir wichtig, die Struktur beizubehalten“, sagt die Triererin. Sie schmiert ihrer Tochter Lilli sogar Pausenbrote, die die Neunjährige um 9.45 Uhr isst – genau wie in der Ausonius-Grundschule, deren vierte Klasse sie besucht. Lillis Lehrerin hat einen ausgeklügelten Wochenplan geschickt und sogar Sport berücksichtigt, in Form von Yoga-Übungen. Die plötzlichen Ferien haben die Müllers organisatorisch ganz schön gefordert: Vater Thomas arbeitet im Schichtdienst in Luxemburg und hatte vergangene  Woche Frühschicht, die Mutter ist vormittags als Hauswirtschafterin in einer Familie tätig. Zum Glück gab ihr Chef ihr drei Tage frei, an den anderen beiden sprang Lillis 17-jähriger Bruder ein. Das organisatorische Problem erledigt sich kommende Woche, ein Grund zur Freude ist das allerdings nicht: Thomas Müllers Firma stellt die Produktion ein. Kontakt zu anderen Kindern hat Lilly, die an Asthma leidet, nicht mehr.

Für Greta, 9 Jahre, hat die Corona-Krise noch eine Folge mehr als für die meisten anderen Kinder: Ihre Erstkommunionfeier fällt ins Wasser. „An dem Tag, an dem die Einladungskarten fertig waren, erhielten wir die Absage“, erzählt Gretas Mutter Julia Schmitt. Die erste Woche zu Hause war anstrengend für die Lehrerin aus Waldrach, die neben Greta noch einen dreieinhalbjährigen Sohn hat, Bruno. Erst wenn ihr Mann Mario Regneri, ein Ingenieur, am Abend nach Hause kam, konnte sie selbst an den Schreibtisch. „Die Tage sind schon sehr lang. Aber das geht derzeit ja allen Familien so.“ Die Kommunionfeier wollen sich die Schmitt-Regneris ebenowenig nehmen lassen wie ihren Humor:  „Wir feiern auf jeden Fall irgendwann“, sagt Julia Schmitt und scherzt: „Dann kleben wir einfach einen Streifen mit dem neuen Datum auf die Karten.“

Kathrin Knieps-Vogelgesang wohnt mit Mann Marco und Sohn Jonas, 12, im Trierer Neubaugebiet Castelnau. Die Gärten dort sind verbunden, der Kontakt zu Nachbarskindern kaum zu kappen. „Wir haben deshalb mit unseren unmittelbaren Nachbarn beschlossen, dass wir jetzt eine große siebenköpfige Familie sind.“ Persönliche Kontakte zu anderen als den beiden Nachbarkindern hat Jonas nicht mehr – das Ergebnis eines Prozesses, der sich über die Woche hinzog. „Wir hatten bei Treffen einfach kein gutes Gefühl.“ Zu seinen Schulfreunden von der IGS hält Jonas nun per Handy Kontakt. Allerdings erst nachmittags. Denn ab 9 Uhr arbeiten alle im Hause Knieps – die Eltern, beide Architekten, im Homeoffice, Jonas für die Schule. Es habe ein paar Tage gebraucht, eine Struktur zu finden, am Ende der Woche aber prima geklappt, erzählt Kathrin Knieps-Vogelgesang. „Jonas hat einen relativ straffen Plan. Alle Lehrer haben Aufgaben geschickt.“ Als besonders kreativ in der Corona-Krise erweist sich dabei Jonas’ Musiklehrer. Er schickte den Link zu einem Beat, zu dem die Siebtklässler einen Rap texten müssen. Vorgegebenes Thema: Klopapier.

Für diesen Artikel sind auch mehrere Alleinerziehende gefragt worden, außerdem eine Familie mit vier Kindern und eine Familie mit einem behinderten Kind. Sie alle lehnten die Interviewanfrage so oder ähnlich ab: „Wir wissen gerade einfach nicht, wo wir die Zeit für ein solches Gespräch hernehmen sollten.“

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