SPRACHE

Zum Leserbrief "Weder Dreierlei noch verfälschter Wein" von Dr. Stefan Barme (TV vom 9. Februar):

Die Stellungnahme von Privatdozent Dr. phil. Stefan Barme zu meinem Leserbrief (TV vom 6. Februar) endet mit der ungnädigen Aufforderung: "Jurist, bleib bei deinem Leisten." Anders als offenbar gewisse andere Werktätige verfügen Juristen - ganz wie die alten Schuhmacher - über mehrere Leisten, die es ihnen erlauben, auch herrschende Meinungen nicht als Denkverbot, sondern als Herausforderung zu betrachten. Wenn Barme einen Konsens anmahnt, dass "Teerdich sich aus dem mittelhochdeutschen Tirtei (für grobes Gewebe) ableitet", so vergisst er, dass "Tirtei" in dem ursprünglichen TV-Artikel gar nicht erwähnt wird. Dort war vielmehr ein apodiktisches "Teerdich geht auf das lateinische tyrium zurück, was Stoff bedeutet" zu lesen, so dass sich meine Kritik auf die Herleitung von Tertisch aus dem lateinisch-phönizischen tyrium beschränken konnte, die ich als haltlose Geistreichelei betrachte. Beim Eintrag "Tirtei" des Rheinischen Wörterbuchs, auf den sich Barme offenbar bezieht, wird nicht versucht, eine andere Bedeutung von Tirtei zu suchen, die über die Bezeichnung eines Gewebes hinausgeht. Dieser Name wird zum Ursprung aller "übertragenen" Bedeutungen: Tirtei-Wetter, T.-Mus, T.-Supp, T.-Bocks (Hose). Was hat das mit Gewebe zu tun? Entscheidend ist, nach einer Bedeutung zu suchen, die allen Varianten gemeinsam und nicht auf den Namen eines Gewebes beschränkt ist. Es handelt sich stets um eine Vermengung oder Vermischung ungenannter Bestandteile zu einem Ganzen, ob nebeneinander (Gewebe) oder durcheinander (T.-mus, Tertisch). Für diese Vermengung/Vermischung, dieses Tirtei gibt es im Deutschen viele Worte: vielerlei, allerlei, mancherlei und - dreierlei (früher diente "drei" auch zur Bezeichnung einer nicht gezählten Vielheit). Nicht entscheidend, aber naheliegend ist, dieses "Tir-" aus lateinisch "ter" (dreifach, dreimal) oder "tris" abzuleiten. Die Herleitung von "Tirtei" von tyrium, dem teuersten Tuch der Antike, muss reichlich viele Unwahrscheinlichkeiten überwinden, zumal auch die lautliche Verwandtschaft von tirtei und tyrium nicht augenfällig ist. Also: Tertisch ohne Tyrium bitte. Dr. Reiner Jochem, St. Ingbert

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort