Sprayer wüten im Trierer Marx-Viertel

Trier · Graffiti-Sprüher haben viele Fassaden in Trier verunstaltet. Das Markenzeichen der Täter ist der Schriftzug "Can". Die Schmierereien sind auch für das große Karl-Marx-Jahr 2018 ein Problem.

 Unbekannte haben Hauseingänge und Fassaden im Karl-Marx-Viertel besprüht. Immer wieder taucht dabei der Schriftzug „Can“ auf, offenbar das Markenzeichen der Täter. TV-Fotos (4): Friedemann Vetter

Unbekannte haben Hauseingänge und Fassaden im Karl-Marx-Viertel besprüht. Immer wieder taucht dabei der Schriftzug „Can“ auf, offenbar das Markenzeichen der Täter. TV-Fotos (4): Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Trier Ein Graffito kann ein urbanes Kunstwerk sein, abhängig von der Begabung und der Intention des Sprayers. Trier hat mehrere starke und völlig legale Beispiele für diese Form der Kunst, eines davon ist die Wand des Theaters am Augustinerhof. Viele Wände und Fassaden des Karl-Marx-Viertels zeigen jedoch zurzeit ein komplett anderes Bild. Wer sich hier umsieht, der denkt nicht an Kunst. Symbole und Kritzeleien prägen die Szene.
Die Täter haben immer wieder den Schriftzug "Can" hinterlassen - im Jargon der Szene ist das ein "Tag", quasi die Visitenkarte des Urhebers. Ein wichtiges Element für die Ermittler der Polizei. Wenn die "Can"-Sprayer ermittelt werden, droht ihnen der vielfache Vorwurf der Sachbeschädigung (siehe Info).

"Es reicht wirklich", sagt die Quartiersexpertin Brigitte Biertz, die sich seit Jahren für das Viertel einsetzt. Biertz ist mächtig wütend und empört. "Es gibt sehr viele Einzelfälle in den Straßen des Viertels. Eine Sanierung und Entfernung dieser Schmierereien kann schnell mal eine vierstellige Summe kosten. Das trifft die Eigentümer hart."
Die "Can"-Serie ist von der Feld- bis zur Brückenstraße immer wieder zu sehen und geht auch über die Grenzen des Viertels hinaus. Eine präzise Auflistung aller betroffenen Häuser gibt es noch nicht, denn noch haben längst nicht alle Eigentümer Strafanzeige erstattet.

Ein großes Problem - sowohl für die betroffenen Eigentümer als auch für die Stadt Trier. Denn im Karl-Marx-Jahr 2018 sollen die Besucher und Touristen mit Sicherheit nicht von einem Viertel mit dilettantisch besprühten Fassaden empfangen werden. Außerdem macht die Serie an Sachbeschädigungen viele Mühen des Vereins Karl-Marx-Viertel zunichte, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Stärken des kleinen Quartiers zu zeigen und es aus der Rotlicht-Ecke herauszubringen (der TV berichtete).

Ralf Frühauf, Sprecher der Stadt Trier, reagiert ebenfalls mit Empörung. "Es hat wirklich nichts mit Kunst zu tun, wenn Unbekannte liebevoll und aufwendig restaurierte Fassaden verunstalten", sagt Frühauf. "Wir verurteilen solche Taten natürlich, können aber bedauerlicherweise nicht direkt eingreifen."

Der einzige konkrete Ansatzpunkt der Ermittler - neben dem "Can"-Schriftzug - ist die Aussage von Biertz, dass man im Viertel vier Jugendliche beobachtet habe, die sich "merkwürdig" verhalten haben sollen. Sie präzisiert das im Gespräch mit dem TV: "Diese Beobachtung ist leider sehr vage, es gibt keine genaue Personenbeschreibung. Aber es war erkennbar, dass einer gesprüht hat und die anderen ihn dabei verdeckt haben."

Die Polizei Trier bittet alle Betroffenen, Anzeige zu erstatten. "Bisher liegen für das Jahr 2017 fünf Anzeigen wegen Schmierereien mit dem Tag ,Can' vor", sagt Karl Peter Jochem, Sprecher des Polizeipräsidiums Trier. Zwei davon kommen aus dem Karl-Marx-Viertel. "Demnach wurde der Eingangsbereich eines Hauses in der Karl-Marx-Straße und eines Hauses in der Brückenstraße beschädigt." Die "Can"-Sprüher sind offenbar schon länger in Trier aktiv, denn bereits 2015 gab es deswegen sechs Anzeigen, drei davon in der Dietrichstraße.

"Ein Tatverdächtiger konnte bisher nicht ermittelt werden", räumt Jochem ein. Fingerabdrücke seien hilfreich, "aber nur selten ausreichend, wenn keine weiteren Beweise hinzukommen". Die Ermittler müssen den oder die Sprayer schon auf frischer Tat ertappen. "Wir bitten die Betroffenen, Anzeige zu erstatten und mit der Polizei zusammenzuarbeiten", sagt Jochem. "Jeder Augenzeuge sollte sich melden."KommentarMeinung

Nachahmer mit Sprühdosen
"Bombing" - so heißt das illegale Sprayen im Szene-Jargon. Es geht dabei um die Verbreitung des eigenen Markenzeichens, des "Tags", um den Ruf in der Szene und natürlich auch um den Adrenalinkick. Die Grenzen sind in dieser Szene nicht immer klar erkennbar. Es gibt kaum Leute, die entweder nur legal oder ausschließlich illegal sprayen, sagen Insider. Beide Seiten gehören zur Graffiti-Subkultur, die den öffentlichen Raum einer Stadt als ihre Leinwand sieht. Im Strafgesetzbuch sind die Grenzen dagegen klar und scharf. Wer ohne die Erlaubnis des Eigentümers eine Fassade oder Fläche besprüht und diese verunstaltet, macht sich der Sachbeschädigung schuldig. Die unterirdische Qualität der Kritzeleien im Karl-Marx-Viertel lässt außerdem Zweifel daran aufkommen, dass hier tatsächlich Mitglieder der Graffiti-Szene am Werk waren. Es waren wohl eher Nachahmer mit Sprühdosen, die Aufmerksamkeit erregen wollen. Die Täter haben hohe Schäden verursacht. Sie haben mit ihren Schmierereien einzelne Hauseigentümer ebenso getroffen wie das gesamte Karl-Marx-Viertel, dessen Attraktivität immer noch oft unterschätzt wird. j.pistorius@volksfreund.deExtra: SACHBESCHÄDIGUNG ERST SEIT 2005

Sprayer wüten im Trierer Marx-Viertel
Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)
Sprayer wüten im Trierer Marx-Viertel
Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)
Sprayer wüten im Trierer Marx-Viertel
Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)


Paragraf 303 des Strafgesetzbuchs regelt die Sachbeschädigung. In Absatz eins heißt es: "Wer rechtswidrig eine fremde Sache beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Wer jetzt einwendet, Sprühfarbe könne nichts beschädigen oder zerstören, landet sofort bei Absatz zwei: "Ebenso wird bestraft, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert." Dieser zweite Absatz ist eine Konsequenz des Graffiti-Bekämpfungsgesetzes aus dem Jahr 2005. Bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes konnten illegale Sprayer zwar zu Schadenersatz verdonnert werden, doch eine Verurteilung wegen Sachbeschädigung war nicht möglich - denn diese setzte einen Eingriff in die Substanz oder Funktion der beschädigten Sache voraus. Im August 2016 besprühten Unbekannte 38 Grabstätten auf dem Trierer Hauptfriedhof mit roter und blauer Farbe. Die Täter wurden nicht gefasst.

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