Stadt Trier schließt Kita Trimmelter Hof

Trier · Alle sechs Gruppen der Kindertagesstätte Trimmelter Hof werden in die neue Grundschule Tarforst ausgelagert. Im Fußboden wurden Schadstoffe gefunden, die langfristig leberschädigend und krebserregend wirken können.

Donnerstagnachmittag, Rathaus Trier. In einer Pressekonferenz gibt die Stadtverwaltung Ergebnisse aus der jüngsten Untersuchung in der Kita Trimmelter Hof bekannt. „Auf Grund der gemessenen Werte sehen wir es als nicht mehr vertretbar an, den Betrieb der Kita weiter aufrecht zu erhalten“, teilt Sozialdezernentin Angelika Birk mit.
Die Entscheidung, die Einrichtung erneut auf unbestimmte Zeit zu schließen und den Bodenbelag zu entfernen, steht am Ende einer langen Entwicklung (siehe Chronik).

Ursache für Probleme scheint gefunden

Der beim Bau der Einrichtung 1997 verlegte Fußboden besteht aus Linoleum (Grundstoff: Leinöl). In Proben des Belags hat das Institut für angewandte Umweltforschung (Ifau) „hohe bis sehr hohe“ Werte zweier chemischer Verbindungen gemessen:

TBEP (Tris-(2-butoxyethyl)-phosphat) dient als Weichmacher und wird auch in Bodenpflegemitteln eingesetzt. Nach Ansicht von Ifau-Chemiker Dr. Wigbert Maraun könnte der Stoff zu den bekannten Reizungen von Augen, Haut und Atemwegen bei Kita-Personal und Kindern beigetragen haben.

DEHP (Di-2-ethylphthalat) dient ebenfalls als Weichmacher. Laut Maraun kann der Stoff langfristig unter anderem die Leber schädigen und krebserregend wirken.

Noch im November hieß es, der Boden sei unbelastet. „Damals wurde nicht gezielt nach den jetzt nachgewiesenen Stoffen gesucht, weil sie für Linoleum-Böden untypisch sind“, erklärt Achim Hettinger, Leiter des Jugendamts.
Was volksfreund.de bereits am Mittwochnachmittag berichtet hatte, erfuhren die Eltern offiziell am Donnerstag per Rundbrief. „Ich bin erschüttert, dass wir wieder nicht zuerst informiert wurden“, sagt Christoph Steil, betroffener Vater. „Dezernentin Angelika Birk hat also ihr Versprechen nicht gehalten, das sie uns bei der Elternversammlung gegeben hatte.“
Laut Ratsbeschluss von 2008 sollte der Boden bei der Sanierung wegen Schimmelbefalls komplett erneuert werden. Weil die Verwaltung dies jedoch auf Grund von Messergebnissen als nicht notwendig betrachtete, begrenzte der Bauausschuss den Bodenaustausch auf den Flur.

Ab sofort bleibt die Kita geschlossen. Eltern können ihre Kinder heute in den deutsch-französischen Kindergarten bringen. Ab Montag steht die neue Grundschule Tarforst allen Gruppen (113 Kinder) während der Ferien zur Verfügung. Danach könnte das alte Grundschulgebäude als Ausweichquartier dienen.

CHRONIK
1997: Eröffnung der neuen Kita Trimmelter Hof.
2003: Sanierung erster Feuchtschäden.
Januar 2008: Schließung wegen Schimmel-Befalls in der Holzfassade, Ausweichen in andere Gebäude.
Mai 2009: Weiterer Feuchtschaden fällt auf.
August 2009: Wiedereinzug in die Kita.
Oktober 2009: Neue Raumluftmessung nach gesundheitlichen Beschwerden.
November 2009: Hohe Feinstaub-Belastung soll gesenkt werden.
Dezember 2009: Luftreiniger sollen Abhilfe schaffen.
Februar 2010: Erneute Raumluftmessung ergibt unauffällige Werte.
März 2010: Umfrage zu Beschwerden und Umfeld der Kinder.

Meinung Notbremse und Kehrtwende
Von Marcus Hormes
Schon viel zu oft haben sich Eltern und Erzieherinnen der Kita Trimmelter Hof Theorien dazu anhören müssen, was die rätselhaften Beschwerden auslösen könnte. Verwaltung und externe Fachleute sind bei ihren Bemühungen immer wieder ins Stolpern geraten, mussten zum nächsten Schritt getrieben werden und sich fortlaufend korrigieren.
Bei seiner passiven Informationspolitik bleibt sich das Rathaus auch nach dem Wechsel an der Spitze des Dezernats treu. Angelika Birk hat eine sperrige Altlast geerbt, für die sie nichts kann. Wenn sie mit einem hohen Anspruch antritt, wird sie daran gemessen. Das Untersuchungsergebnis erfuhr Birk selbst spät, unterschätzte erst die Dringlichkeit der Information und zog dann die Notbremse. Weitere Entscheidungen etwa zum neuen Bodenbelag müssen fachlich absolut wasserdicht vorbereitet sein, sonst ist die nächste Kehrtwende schon absehbar.
m.hormes@volksfreund.de

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