Stadtentwicklung: Die Schwächen von Schweich

Schweich · Beim Planungsforum zur Städtebauförderung sagen die Bürger, was sie in ihrer Stadt vermissen und was verbessert werden könnte. Für das Umfeld der Synagoge und den Platz vor der Martinskirche gibt es interessante Vorschläge.

Erst machte Agnes Schneider dem Stadtbürgermeister ein Kompliment ("Danke für die Blumenpracht, die sie in Schweich eingeführt haben"), dann konfrontierte sie Lars Rieger mit Dingen, die ihr nicht an ihrer Heimatstadt passen. Etwa, dass der erst neu gestaltete Lehmbach zwischen Oberstiftstraße und Föhrenbach ungepflegt sei oder der Platz vor der ehemaligen Synagoge leblos daliege. Man solle dort eine Parkanlage mit Blumenbeeten anlegen und ein Spielparadies für Kinder schaffen, meint die Seniorin aus der Madellstraße. Das Stadtfest sollte man von dem Synagogenumfeld ins Bürgerzentrum verlegen und die Stände und Karussells auf dem Schwimmbadparkplatz aufbauen. Dann sei zusammen, was zusammengehöre.

Nicht nur Agnes Schneider hatte beim Planungsforum im Alten Weinhaus viel zu sagen. Etwa 50 Bürger waren gekommen, um ihre Ideen für die Zukunft der Stadt Schweich vorzubringen. In erster Linie ging es zwar um das geplante Städtebaufördergebiet Alt-Schweich (siehe Info), in dem in den nächsten acht bis zehn Jahren öffentliche und private Sanierungsmaßnahmen mit insgesamt drei Millionen Euro bezuschusst werden sollen. Doch die Anwesenden richteten ihren Fokus auf ganz Schweich.

Einige Kritikpunkte hatte das Planungsbüro Stadt-Land-plus aus Boppard, das Schweich und den Nachbarort Föhren bei der Städtebauförderung "Ländliche Zentren" berät, schon bei einer Bestandsanalyse herausgefunden: In die Hauptverkehrsachse Brückenstraße/Richtstraße/Oberstiftstraße gehöre mehr Grün, sagte Planerin Sophie Guhl. Die Gehwege sollten barrierefrei gestaltet und zentrale Plätze aufgewertet werden. Der Kirchvorplatz komme mit einer "Bahnhofsmöblierung" daher und sei kein wirklicher Ort, der zum Verweilen einlade. Kreuzungen und Übergänge zu Höfen und Nebenstraßen sollten offener gestaltet werden.

Zu trist, zu eintönig, zu einladend als "Rennstrecke" - das sind die Kritikpunkte der Planer für Hofgarten- und Mathenstraße sowie Corneliuspforte und Uhlengartenstraße. Als erhaltenswerte Keimzelle der Stadt bezeichnete Planer Gerald Pfaff Alt-Schweich. Und er fügte hinzu: "Durch den hohen Siedlungsdruck läuft Schweich Gefahr, dass noch mehr große Wohneinheiten dazukommen." Man wolle Alt-Schweich vor "überdimensionierten Baukörpern" schützen, bekräftigte Stadtbürgermeister Lars Rieger. Diese großen Wohnblöcke werden derzeit in vielen Vierteln der Moselstadt hochgezogen, nicht nur in Alt-Schweich. Dass man in dem Spannungsfeld große Wohnraumnachfrage und Erhalt von Grünflächen zu guten Kompromissen kommen könne, habe das Baugebiet auf dem ehemaligen Sportplatz im Stadtteil Issel gezeigt, so Rieger. Hier seien im Dialog mit Bauherren und Anwohnern Lösungen gefunden worden, etwa, was die Dachform und die Geschosshöhe angehe.

Kritik musste sich der Stadtchef von Anwohnern des Bereichs Madellstraße/Trieschhübel/Kornrechweg anhören. Dort hatte die Stadt über die VG-Verwaltung schriftlich bei einigen Grundstücksbesitzern angefragt, ob sie bereit wären, ihr Gartenland zu verkaufen. Eine Planskizze mit eingezeichneter Stichstraße war beigefügt. Etwa 7000 Quadratmeter Gärten gibt es im rückwärtigen Bereich der Häuser. "Sie kritisieren zurecht die zunehmende Versiegelung von Schweich", sagte Christian Kölbel aus der Madellstraße an die Adresse des Stadtbürgermeisters, "aber gleichzeitig überlegen sie, eine grüne Lunge im Herzen der Stadt zu beseitigen". Man frage nur das Interesse ab, eine Entscheidung sei noch nicht gefallen, entgegnete Rieger (Ausführlicher Bericht dazu demnächst).

Die Bürger machten zahlreiche Vorschläge, wie Schweich lebens- und liebenswürdiger werden könnte. Hier eine Auswahl: Gastronomie (Biergarten), Lebensmittelgeschäft im Zentrum, einheitliche Beschilderung von Wegen und Sehenswürdigkeiten, Weinstand am Wochenende, Wasserspielplatz am Uhlengarten, Hochbeete für den Synagogenplatz, Wechselshops und/oder Ausstellungen in Leerständen, alternative Wohnformen schaffen, besserer ÖPNV, Radwegekonzept, Carsharing-Angebote, Aufenthaltsräume am Föhrenbach.KommentarMeinung

Zeit für eine UmkehrBeim Planungsform im Alten Weinhaus wurde das Dilemma offensichtlich, in dem Schweich steckt: Viele Menschen wollen dort wegen der guten Infrastruktur Grundstücke kaufen oder Wohnungen mieten, aber es gibt kaum welche. Die Antwort der Stadt darauf heißt - unter freundlicher Mithilfe von Bauträgern - "nachverdichten". Grundstücke, denen man habhaft wird, werden mit großen Bauklötzen zugepflastert. Es lohnt sich ja, weil sich immer noch Leute finden, die bereit sind, die gepfefferten Preise in Schweich zu zahlen. Die Nachverdichtung hat aber auch ihre Schattenseiten: Junge Familien mit normalem Einkommen können sich in Schweich kaum noch Wohnraum leisten, das Stadtbild und die Aufenthaltsqualität leidet, immer mehr Fahrzeuge verstopfen die Straßen. Die angelaufene Städtebauförderung in Alt-Schweich bietet eine gute Plattform, die Wohnungspolitik in andere, geordnetere Bahnen zu lenken. Die Stadt kann jetzt den Umbau und die Modernisierung der bestehenden Bausubstanz fördern und gleichzeitig einen Bebauungsplan über Alt-Schweich legen, um dem Wildwuchs beim Bauen entgegenzutreten. Dass die Stadt Schweich bereits ihre Fühler nach Gartenland in Madell ausstreckt und dort ein kleines Baugebiet in Betracht zieht, zeigt, dass sie den Ernst der Lage noch nicht begriffen hat. Sie vergrault viele Alteingessene, um einige wenige Bauwünsche zu erfüllen. Gleichzeitig hat die Stadt selbst durch zu lasche Auflagen der Wohnungsnot Vorschub geleistet: Im Baugebiet Ermesgraben werden seit Jahren - wohl auch aus spekulativen Gründen - Dutzende Grundstücke gebunkert; sie sind nicht auf dem freien Markt verfügbar. a.follmann@volksfreund.deExtra: ALT-SCHWEICH IN ZAHLEN

 Die Brückenstraße in Schweich könnte mehr Grün vertragen. Die Bushaltestelle (am weißen Streifen) ist als solche kaum wahrnehmbar.

Die Brückenstraße in Schweich könnte mehr Grün vertragen. Die Bushaltestelle (am weißen Streifen) ist als solche kaum wahrnehmbar.

Foto: Albert Follmann
 Der Kirchvorplatz in Schweich liegt zentral, aber um die Aufenthaltsqualität ist es nicht zum Besten bestellt.

Der Kirchvorplatz in Schweich liegt zentral, aber um die Aufenthaltsqualität ist es nicht zum Besten bestellt.

Foto: Albert Follmann

Gebiet: 17,5 Hektar Einwohner: 1327 (Schweich gesamt: 7672, Stand Ende 2015) Zugelassene PKW: 867 Parkplätze: 580, davon 54 öffentliche, 506 private und 20 Parkplätze (beim Winzerverein) Gebäude: 409 Hauptgebäude, davon sind 67 in gutem Zustand, 153 haben leichte Mängel (Instandsetzungsbedarf), 150 mittlere Mängel (Modernisierungsbedarf) und 39 erhebliche Mängel (Sanierung erforderlich). 97 Gebäude sind nach einer ersten Einschätzung förderfähig. Quelle: Büro Stadt-Land-plus

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