STADTGESPRÄCH

Trier rückte zusammen. Kaum war der Strom weg, liefen die Leute in Scharen auf den Straßen zusammen. Nachbarn, die vorher kaum einen Gruß wechselten, zerrten gemeinsam Gartenstühle auf Bürgersteige, saßen in Hauseingängen, plauschten und tauschten sich aus.

Darüber, wie sie just als der Strom ausfiel, ein Fünf-Gänge-Menü auf dem Herd stehen hatten, das jetzt verdorben war, gerade eine Sendung, die nach Jahren endlich im Fernsehen wiederholt wurde, auf Video aufzeichneten oder am PC soeben die aufwändige Steuererklärung fertig gemacht hatten, die beim plötzlichen Ausfall nicht mehr abgespeichert werden konnte. Keine halbe Stunde hatte die elektrische Welt lahm gelegen, da kramten Nachbarn ihre Camping-Gaskocher hervor, um "wenigstens einen Kaffee" kochen zu können - und das nicht nur für sich selber, sondern für den halben Block. So viele Gespräche, so viel Einigkeit, so viel Nachbarschaftshilfe - anscheinend geht es uns manchmal, wenn es uns schlecht geht, gleichzeitig auch irgendwie besser - zumindest im Zwischenmenschlichen. Oder haben Sie schonmal erlebt, dass Sie an Straßenkreuzungen, an denen Sie sonst Minuten mit ihrem Auto warten, bis Sie jemand 'rauslässt, freundlich vorgewunken werden? Vorgestern Abend war das nichts Besonderes. Gut drei Stunden war Trier aus seinem elektrischen Takt geratenen. Aber wann hat das "eigentliche" Leben in der Moselhauptstadt zuletzt in einem so rücksichtsvollen, gemeinschaftlichen Rhythmus pulsiert? Hätte der Stromausfall nicht volkswirtschaftliche Schäden in Millionenhöhe verursacht und zur ein oder anderen gefährlichen Situationen geführt - fast könnte man sich wünschen, es würde nicht so lange dauern, bis in Trier wieder die Lichter ausgehen und es von Tür zu Tür heißt: "Ist bei Ihnen auch der Strom weg? Kommen Sie doch rüber, ich habe einen Kaffee auf dem Gaskocher...." Christiane Wolff

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