STADTGESPRÄCH

Wissen Sie, wo die älteste Straße der Welt verläuft? Sie tippen auf das australische Buschland, die afrikanische Savanne oder einen Feldweg in Ostpolen? Völlig daneben. Das Gute liegt bekanntlich so nah!

Also schauen wir uns doch mal in der guten alten Römerstadt um. Da gibt es einen Verkehrsweg, auf dem vermutlich bereits Kaiser Konstantin samt Gefolge in Augusta Treverorum eingeritten ist. Zumindest glaubt das der ganz normale Autofahrer. Gemeint ist die Aachener Straße. Das ist dieses Schlaglochparadies am moselländischen Lustzentrum. Offiziell ist dieses beklagenswerte Teil vielleicht nicht so alt, wie es aussieht, sagen die Archäologen, aber so richtig tief und ausgiebig hat da ja noch keiner gegraben. Würde sich vielleicht lohnen. Trotz aller Jämmerlichkeit spielen sich auf dieser kaputten antiken Via aus den Anfängerzeiten europäischen Straßenbaus immer wieder Szenen ab, die Kennern der Materie Tränen der Rührung in die Augen treiben. Da tauchen regelmäßig Männer in orangefarbenen Umhängen mit ebensolchen Autos auf. Sie steigen aus, nehmen Hacke und Schaufel, manchmal auch den Minibagger, sperren die halbe Straße und graben flugs ein Loch. Wo es passt, kommt ein neuer Hydrant hin, wo das nicht notwendig ist, wird nur der alte Straßenbelag ausgebuddelt und ein neues Stück Teer reingelegt. Das hat gleich mehrere Effekte. Die Strecke von einem Schlagloch zum nächsten verlängert sich entsprechend, am erbärmlichen Gesamtzustand ändert sich nichts, und das gesamte Straßenbild sieht wieder ein klein wenig mehr aus wie ein Flickenteppich. Die Arbeit der Straßenbauer erinnert fatal an Sisyphus. Das war bekanntlich der arme Mann in der griechischen Sage, der dazu verdammt war, einen Stein den Berg hinauf zu rollen, aber der vermaledeite Brocken stürzte postwendend wieder ins Tal, sobald Sisyphus sich am Ziel wähnte. Klar, die ganze Schinderei begann dann von neuem. So ähnlich geht es in der Aachener Straße seit Jahren den Männern vom Bau. Sie machen vorne zehn Meter ganz, und hinten zerbröselt zur gleichen Zeit ein doppelt so großes Stück. So etwas nennt man Höchststrafe, und dafür ist zumindest mal eine dicke Erschwerniszulage fällig. Damian Schwickerath

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